von Dieter Duhm

„Sonnenaufgang über Tschernobyl“ – Gemälde von Dieter Duhm

Gewalt ist die Eruption blockierter Lebensenergien. Pazifismus ist nicht die sanfte Beschwichtigung der Gewalt und nicht die Beilegung von Konflikten durch Appelle zum Frieden. Wirklicher Pazifismus ist der radikale und intelligente Selbsteinsatz des Menschen für die Befreiung aller in ihm liegenden Lebensenergien und Schöpferkräfte. Pazifismus ist der fundamentale Kampf gegen jede Art von Unterdrückung der menschlichen Sehnsucht. Pazifismus ist kompromisslose Parteinahme fürs Lebendige. Pazifismus ist Militanz, nicht unbedingt politische Militanz, aber Militanz in der Erringung innerer Wahrhaftigkeit und Freiheit, denn Pazifismus ist die Versöhnung des Menschen mit sich selbst. (…)

Alle Mahner unserer Zeit sind sich darin einig, dass wir neue menschliche Werte brauchen. Aber wir haben zur Genüge erfahren, dass Appelle an Vernunft und Gewissen nichts bewirken. Die besten Vokabeln sind bereits so abgewirtschaftet, dass wir sie kaum noch benutzen können. Neue menschliche Werte gewinnen erst dann Substanz und Wirklichkeit, wenn sie in einer neuen Lebenspraxis verankert sind, die dem Menschen neue Energien, Kontakte, Erfüllungen und Erkenntnisse erschließt. Die Suche nach solchen neuen Lebensformen ist das eigentliche Abenteuer unserer Zeit. Weil sich diese Suche noch sehr diffus und oft in kleinen Nischen am Rande der Gesellschaft abspielt, wird ihre geschichtliche Bedeutung leicht übersehen. Das Neue kommt auf leisen Sohlen. Es hat aber mittlerweile so viel Erfahrung und Wissen auf seiner Seite, dass wir uns zu einem größeren Start entschließen können. (…)

Hier haben wir den heikelsten Punkt der gegenwärtigen Alternativbewegung erreicht. Neue Lebensformen: das sind neue Formen des Arbeitens, des Wohnens, der Ernährung, vor allem aber neue Formen der Liebe, der Gemeinschaftsbildung, der Sexualität, der Konfliktbearbeitung, der sozialen Transparenz auch und besonders in denjenigen Bereichen, die bislang zur Privatsphäre gehörten. An undurchschauten und unbewältigten Vorgängen im Bereich von Sexualität und Eifersucht sind schon weit mehr Gruppenprojekte gestorben als an ökonomischen oder politischen Schwierigkeiten. Eine neue Kultur wurzelt u.a. in einem neuen Verhältnis der Geschlechter. (…)

Ist der Mensch wieder verbunden mit seinem Zentrum und durch dieses mit universelleren Lebens- und Bewusstseinsfunktionen, so entwickelt sich von selbst ein neuer Typ von natürlicher, lebensgesetzlicher Humanität. Menschliche Eigenschaften, die sich aus solcher inneren Integration von selbst ergeben, sind zum Beispiel: Kraft ohne Herrschaft, Festigkeit ohne Härte, Klarheit ohne Kälte, Spannung ohne Verkrampfung, Haltung ohne Starrheit, Weichheit ohne Schwäche, Schönheit ohne Eitelkeit, Anpassung ohne Selbstaufgabe, Ausstrahlung ohne Manipulation.

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