Terra Nova

Krieg beenden, Liebe leben

von Sabine Lichtenfels
… wie aber treten wir aus diesem Wahnsinn der Geschichte aus? Wesentlich ist vor allem die innere Haltung, mit der wir auf das Erlebte reagieren. Der Kampf beginnt immer erst, wenn wir bereits in der Identifizierung mit unserer Opferrolle sind. Der einzige Weg hier heraus ist das Erwachen.
 

Am Anfang vielleicht noch verunsichert, dann immer klarer, beginnen wir zu erkennen, dass es auf der Ebene, auf der wir suchten, keinen Ausweg aus der Sackgasse gibt. Deswegen legen wir die Waffen nieder. Etwas unbeholfen, aber doch entschlossen, beginnen wir die alten Strukturen unseres Denkens zu erkennen und neue Verhältnisse aufzubauen, unter deren Bedingungen ein anderes Lieben möglich wird. Diese äußeren Strukturen haben allerdings nur dann eine Chance, sich auf der Erde zu manifestieren, wenn der Weg nach innen ganz gesehen und konsequent zu Ende gegangen wird. An der Stelle, wo normalerweise unsere Angst oder unsere Wut einsetzte, haben wir bisher immer begonnen zu kämpfen. Genau hier möchte jetzt das neue Bewusstsein einziehen können. Es verändert unser Verhältnis zum sogenannten Feind auf der Stelle. Es ist unwichtig, ob wir im Recht oder Unrecht sind. Wichtig ist, dass wir jetzt wirklich wissen wollen, was wir bisher aus Angst immer vehement von uns wiesen. Wir wollen wissen, und wir wollen heilen. Wir haben den Kampf und die Dramatik verlassen. Wir brauchen hier die größte Achtsamkeit, um diesen Punkt an uns selbst wirklich zu durchschauen.
Wir beginnen zu ahnen: Niemand wird sein Herz vor uns verschließen, wenn wir es nicht verschließen. Die Liebe kann nicht verloren gehen, wenn wir bei der Liebe bleiben. Und wahrhafte Liebe beginnt mit der Liebe zu sich selbst. Damit ist kein Narzissmus gemeint, sondern nur wer gelernt hat, sich selbst ganz zu bejahen, kann aus tiefstem Herzen Ja sagen zu anderen. In unserem Wesenskern finden wir immer diese reine und tiefe Schönheit wieder. Dieser Kern ist unverletzbar. Das ist der Christuspunkt in uns. Niemand kann mich verlassen, wenn ich nicht verlasse. Die Liebe bahnt sich ihre eigenen Wege, wenn ich bei der Liebe bleibe. Das führt mal zu mehr Nähe, mal zu mehr Distanz, mal ins Alleinsein, aber niemals in die Verlassenheit. Gott kann dich nicht verlassen. Das ist die tiefste und die neueste Erkenntnis, die jedem Märtyrertrauma entgegen steht. Denn im tiefsten Innern bist du nichts anderes als der Stützpunkt Gottes. Und wie sollte Gott sich selbst verlassen können? Alle verzweifelten Versuche, sich mit etwas Anderem zu identifizieren als mit der göttlichen Quelle in uns selbst, kamen nur daher, dass wir Gott in unserem Innern vergessen hatten. Früher oder später werden wir aber dahin zurückkehren müssen. Denn nichts anderes hat Bestand in uns.

Und nun beginnt der Weg zurück zur Quelle. Du lehnst dich zurück und erkennst fast heiter: Alles, was da so tobsüchtig kämpfte in dir, das bist du nicht!
Das ist der kollektive Schmerzkörper deiner Geschichte – der Geschichte der Frauen oder deiner Nation oder deiner Familie oder verschiedener Inkarnationen, der dich erfasste und der nun in dir tobt. In uns Frauen führt dies oft zu einer fast süchtigen Art der Täterschaft, die sich selbst als Opfer sieht. Unser höheres Bewusstsein aber ging vollkommen unversehrt aus dieser Geschichte hervor. Es identifiziert sich nicht mit dieser Tortur. Geduldig wartet es darauf, dass du zu ihm zurückkehrst. Wir wissen jetzt: Das war nicht der Weg. Das ist der Weg, den wir verlassen werden. Den Weg mit Gott können aber wir nicht verlassen.

 

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