Von Dieter Duhm

Da ist etwas ganz Eigentümliches geschehen. Sie haben einander „gesehen“. Mitten im Trubel der Dinge begannen sie, einander zu „sehen“: ihre Bewegungen, ihre Schönheit, ihre Wahrheit, ihre Ernsthaftigkeit. Es war eine lange und tiefe Wahrnehmung, die auf den Grund ging. In dieser Schönheit öffnete sich ein inneres Tor zu etwas Ewigem. Der Schwur der ewigen Liebe fährt in die Zellen, er ist diese eine und einzige Affirmation, der Schönheit des oder der Geliebten treu zu bleiben und sich durch nichts mehr von dieser Treue ablenken zu lassen. Dieses Ereignis ist nicht an Geschlechter gebunden, es kann ebenso zwischen zwei Männern oder zwei Frauen stattfinden. Immer ist es diese Kraft, die wie ein himmlisches Licht in ihre Beziehung leuchtet. Wenn es zwischen einer Frau und einem Mann geschieht, kommt noch dieser ganz besondere Urpunkt der Polarität hinzu. Ganz tief und ganz neu darfst du die Seele lieben, die dir aus deiner polaren Hälfte entgegen schaut. Sie ist ja du, nur in einem anderen Gewand, so wie sie sich selbst in dir immer deutlicher gefunden hat. Was für eine unglaubliche Zusammengehörigkeit, was für eine Erneuerung des Lebens!

Es gehört zu den Wundern des Lebens, diese Liebe mit einem anderen Menschen zu finden. Und doch ist sie für alle da. Alle haben teil an diesem Strom. Was du hier bei der oder dem Einen erlebst, öffnet dein Herz für viele andere. Liebe macht sehend, und sie ist „wie ein Feuerball, der weitergereicht werden muss“ (Claire Niggli). Was hier im Kontakt zweier Menschen geschieht, öffnet ein Tor für alle Menschen. Was schaut dich an aus diesen Augen? Welche Gottheit ist so nah, dass sie sich so zart und beinah unverhüllt schon zeigen kann? Welches Geheimnis steht schon so dicht und leicht vor seiner Offenbarung? Es ist gekommen wie ein Wunder, und beinahe hört man dahinter die Stimme: So nimm den schwarzen Stein und segne ihn für eure Liebe. Was ihr euch Gutes tut, das habt ihr Mir getan. Ihr seid Meine Öffnung in die Welt. Gebt weiter, was ihr empfangen habt. Möge es funkeln in Tautropfen und Blättern, in Kinderaugen und Weingläsern; möge es zurückstrahlen aus euren Worten, Taten und Liedern. Mögen die Ufer eurer Seen, die Wege, die ihr geht, die Lokale, die ihr besucht, die Pinien, unter denen ihr euch liebt, davon erzählen…

Ich habe diese dichterische Form gewählt, um anzudeuten, welche Seelenklänge entstehen können, wenn die Liebe ins Leben tritt. Wenn dies zwischen einem Mann und einer Frau geschieht, dann steht das Herz in Flammen. Man ist mitten drin im Mysterium der Schöpfung, mitten drin in einer Wirklichkeit, die alle suchen. Man versteht, was mit „Hochzeit“ und „Ehe“ eigentlich gemeint war. Man erkennt augenblicklich, dass die Sehnsucht aller Menschen auf diese Schönheit gerichtet ist, dass Ursprung und Ziel der Liebe dasselbe sind wie das A und O des Lebens – und dass alles Leben auf der Erde im Sinne dieser Schönheit und dieser Liebe gemeint ist. Liebe ist, wie Sigmund Freud gesagt hat, die Beziehung zum Schönen; und das Schöne ist die authentische, unverlogene und unverbogene Gestalt eines Menschen. Was für eine Verheißung! Nie ist man dankbarer als im Moment dieser Erkenntnis. Wenn die beiden Liebenden dieser Erfahrung gewachsen sind und wenn sie nicht in die alte Falle einer falschen Fixierung gehen, dann werden sie ein Segen sein für die Welt.

Aus dem Buch: „Und sie erkannten sich. Das Ende der sexuellen Gewalt.“ Von Dieter Duhm und Sabine Lichtenfels

Empfehlen möchte ich an dieser Stelle auch unseren Onlinekurs: „Heilung der Liebe“ – mit Sabine Lichtenfels und anderen Teammitgliedern der Liebesschule aus Tamera. 6 Module mit Videos, Interviews, Meditationen und künstlerischen Beiträgen. Du kannst jederzeit einsteigen und den Kurs im eigenen Tempo absolvieren. Ab September gibt es wieder regelmäßige Live-Webinare für alle Kursteilnehmer*innen.