Terra Nova

Tamera und das „Experiment Monte Cerro” – Projekterklärung 1

von Dieter Duhm

Am 1. Mai 2006 begann in Tamera das dreijährige Friedensexperiment „Monte Cerro“. Mit der Projekterklärung informierten  wir Interessenten, Journalisten, Kooperationspartner.

Das Projekt im ersten Überblick

Die Entwicklung der Menschheit scheint in eine Sackgasse zu laufen, die mit herkömmlichen Mitteln nicht mehr überwunden werden kann. Die Arbeit von Abteilungen der UNO, von NGO-Gruppen und unzähligen Friedensprojekten ist wichtig und unerlässlich, kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass kaum noch eine positive Zielorientierung von globaler Größenordnung existiert. Unter den gegebenen Voraussetzungen ist eine überzeugende Perspektive für ein gewaltfreies Zusammenleben der Bewohner unseres Planeten nicht mehr erkennbar. Um günstigere Voraussetzungen zu schaffen, müssten Zentren entstehen, in denen ein gewaltfreies Zusammenleben des Menschen mit allen Mitgeschöpfen exemplarisch durchdacht und entwickelt werden kann. Der reale Aufbau solcher Zentren ist das Ziel des Projekts der Heilungsbiotope.

Das Projekt besteht im Aufbau internationaler, möglichst autarker Gemeinwesen, in denen die Lebensbedingungen für eine gewaltfreie Zukunft erforscht und verwirklicht werden. Es ist das Resultat einer langjährigen Forschungsarbeit in Deutschland, der Schweiz und in Portugal, wo einige Gruppen an einem Konzept gearbeitet haben, um auf die weltweite Globalisierung der Gewalt mit neuen Gedanken für eine weltweite Globalisierung des Friedens zu antworten. Inzwischen bestehen enge Kontakte zu Gruppen in Kolumbien (Gloria Cuartas, Friedensdorf San José de Apartadó), Indien (Maria Mangte, ehemalige Sprecherin der Ureinwohner Indiens, Vasamalli Kurtaz vom Stamm der Todas, Bunker Roy, Barefoot College, Tilonia), Kroatien (Balkan Sunflowers) und vor allem in Israel und Palästina (Neve Shalom/Wahat al Salaam, Hopeflower School Bethlehem, CCRR, etc.) und zu GEN (Global Ecovillage Network).

Die neuen Zentren nennen sich „Heilungsbiotope“ oder „Friedensdörfer“. Das erste entsteht seit einigen Jahren in der Zukunftswerkstatt Tamera im südlichen Portugal. Das nächste ist geplant für Israel/Palästina. Was in den Zentren entwickelt werden soll, ist eine Art „Biosphäre 2“, aber nicht mehr als abgeschlossenes Ökosystem wie in Arizona, sondern als ein neues Lebenssystem, welches in der Lage ist, die Lebensbereiche von Mensch und Natur, Soziosphäre und Biosphäre gewaltfrei zu verbinden und in den menschlichen Gemeinschaften die dafür notwendigen inneren (sozialen, menschlichen, spirituellen) Voraussetzungen zu schaffen.

Im Rahmen dieses Projekts soll auf dem 134 ha großen Gelände des Heilungsbiotops 1 Tamera ab dem 1. Mai 2006 das dreijährige „Experiment Monte Cerro“ durchgeführt werden. „Monte Cerro“ ist der Name des Experiments und die portugiesische Bezeichnung des Geländes, auf dem es stattfindet.

Die Teilnehmer des Experiments sollen drei Jahre lang zusammen leben, zusammen arbeiten, zusammen denken. Es sollen die Möglichkeiten menschlichen Zusammenlebens und eines Zusammenlebens von Mensch und Natur erforscht werden. Dabei sollen alle Fragen des Zusammenlebens, soziale Organisation, Geschlechterrollen, Ökologie, Ethik etc., neu betrachtet werden.

Das Projekt vertritt in zweifacher Hinsicht einen globalen, planetarischen Aspekt:

Erstens: Durch die Ökonomie der Globalisierung wird die gesamte Menschheit aus ihren Ankern gerissen. Solche Anker sind oder waren: Das Stück Erde, das man bewohnte und von dem man lebte, das Leben in Stamm und Großfamilie, organische Gemeinwesen mit weitgehend autarker Wirtschaftsweise, Einbettung in Natur und Schöpfung, Heimat im Schutz eines übergeordneten Ganzen. Diese natürliche Verankerung spiegelt sich wieder in einem inneren Wertesystem von Wahrheit, Vertrauen, Zusammenhalt, gegenseitiger Unterstützung, Gastfreundschaft, Nachbarschaftshilfe und Pflege für die natürliche Umwelt. Dieses natürliche Wertesystem ist durch einen geschichtlichen Prozeß der Entwurzelung zerrissen worden. Durch die Totalität der kapitalistischen „Kolonisation“ (Edward Goldsmith) und Wirtschaftsweise verlieren Milliarden von Menschen ihren inneren und äußeren Anker, ihre menschlichen Grundwerte, ihre Heimat, ihr Vertrauen und ihren Sinn im Leben. Der ökologischen und militärischen Zerstörung im Äußeren, die zwangsläufig mit der kapitalistischen Kolonisation verbunden ist, entspricht ein maßloses menschliches Elend im Inneren. Dazu gehört auch die epidemieartige Zunahme von Kriminalität, Drogensucht, Alkoholismus, Gewalttätigkeit, Depression und psychosomatischen Erkrankungen. Aus diesem Zusammenhang erklären sich auch die Kriege unserer Zeit, die mit einer epidemischen Raserei des Tötens und Vernichtens betrieben werden. Es ist offensichtlich, dass die Menschheit neue Formen des Lebens finden muss, um die Epoche des Schreckens beenden zu können.

Aus dieser globalen Schau der Dinge ergibt sich von selbst die absolute Notwendigkeit, neue Gemeinwesen aufzubauen, in denen die Bewohner ihre natürlichen Werte und Ressourcen auf neuer Ebene wiederfinden können. In den Heilungsbiotopen sollen solche Gemeinwesen modellhaft aufgebaut werden. Es sollen dabei keine alten Systeme kopiert, sondern neue entwickelt werden.

Zweitens: Durch die in der Globalisierung angestrebte „neue Weltordnung“, mit bargeldlosem Warenverkehr und elektronischen Identitätsmarken, mit sogenannten „Freihandelszonen“ und Austilgung aller einheimischen Subsistenzwirtschaften wird ein wachsender Teil der Erdbevölkerung (Indigene, Arme, Arbeitslose, Landlose, Kranke, Oppositionelle, Freiheitskämpfer, Wahrheitssucher, autonome Denker und unliebsame Erfinder) aus der Güterversorgung ausgeklammert. Außerdem wird infolge der steigenden Arbeitslosigkeit die allgemeine Kaufkraft sinken und damit einen Teil der Produktion sinnlos machen, wodurch wiederum die Arbeitslosigkeit steigt. Auf diese Weise entsteht ein globales Vakuum von besonderer Art, denn der aus dem Weltwirtschaftssystem herausfallende Teil der Erdbevölkerung braucht eine neue Lebensmöglichkeit. Auch hier könnten die Heilungsbiotope eine Lösungsmöglichkeit bzw. ein Angebot präsentieren. Zu schaffen sind neue, von Banken, Konzernen und Staaten unabhängige Gemeinwesen mit weitgehend autarker Versorgung in allen lebenswichtigen Bereichen. Es handelt sich in gewisser Weise um eine „Rückkehr“ zu lokalen, auf Gemeinschaft basierenden Wirtschaftssystemen, aber in Verbindung mit neuen Technologien und mit neuen sozialen Strukturen einschließlich eines neuen Verhältnisses der Geschlechter.

Wie können lokale Gruppen zu einer globalen Wirkung kommen? Wie können sich die Bedingungen eines strukturellen Friedens, die an wenigen Orten geschaffen werden, auf die ganze Erde auswirken?

Die Antwort ergibt sich aus den Eigentümlichkeiten holistischer (ganzheitlicher) Systeme, deren Funktionsweise und Parameter bereits ausführlich in den vorangegangenen Kapitel dieses Buches beschrieben wurden.

Entscheidend für den Erfolg solcher Friedensprojekte ist nicht, wie groß und stark sie sind (im Vergleich zu den bestehenden Gewaltapparaten), sondern wie umfassend und komplex sie sind, wie viele Elemente des Lebens sie auf gute Weise in sich zusammenfügen und vereinigen. In den Feldbildungen der Evolution gilt nicht das „Recht des Stärkeren“, sondern der „Erfolg des Umfassenderen“. Andernfalls hätte sich keine neue Entwicklung durchsetzen können, denn sie haben alle „klein und unscheinbar“ begonnen (Teilhard de Chardin).

In diesem Zusammenhang können wir eine zentrale Forschungsfrage der Heilungsbiotope so formulieren: Welche sozialen, ökologischen, ökonomischen, spirituellen Voraussetzungen sollten verwirklicht werden, damit – beim heutigen Stand unserer Evolution – die für die planetarische Heilungsarbeit erforderliche Gesamtinformation entstehen kann?

Das Hauptproblem liegt nicht in der Frage, ob die neuen Zentren global wirksam werden können, sondern ob wir in der Lage sind, sie real zu erschaffen. Gerade weil sie ein Teil des Ganzen sind, hängt auch die Last des Ganzen an ihnen. Gelingen können sie nur, wenn sie auf jenen „universellen Grund“ gehen, den sie mit dem Ganzen gemeinsam haben. Dieser universelle Grund ist die unversehrbare Basis aller Menschen, ihre gemeinsame Quelle und Mitgift, ihr göttlicher Kern. Er zeigt sich in der Fähigkeit zur Wahrheit, zur Liebe und zur Anerkennung einer höheren Ordnung des Lebens. Die neuen Gemeinschaften beginnen global zu wirken, wenn sie im Gewebe der Menschheit diejenige Dimension gefunden haben, in der alle Erdbewohner miteinander und mit allen Geschöpfen des Lebens verbunden sind. Auf dieser Grundlage konvergieren und vereinigen sich die Fragmente des Lebens, die so lange getrennt waren: Mann und Frau, Mensch und Mensch, Sexualität und Geist, Eros und Agape, Mensch und Natur, Mensch und Gott. Hier zeigt sich die unabweisbare spirituelle Dimension zukünftiger Heilungsarbeit. Heilung ist die Rückkehr aus der Verbannung, die Aufhebung des Urschmerzes, der in der Trennung bestand.

Das „Experiment Monte Cerro”

Wir beginnen mit einem Gedankenexperiment. Man stelle sich vor, der Weltengeist kommt zu einer Gruppe von Menschen und gibt ihnen folgende Aufgabe:

„Ihr sollt herausfinden, unter welchen Bedingungen die Erde geheilt werden könnte. Dafür stehen euch euer Geist, euer Leib, eure Kommunikationsfähigkeit und das gesammelte Wissen der Menschheit zur Verfügung. Zunächst einmal müsst ihr herausfinden, wie ihr selbst untereinander und mit den Geschöpfen der Natur auf eine gewaltfreie, heilende Weise zusammenleben könnt. Fangt noch einmal von vorne an und benutzt eure gesamte Intelligenz, euer gesamtes Wissen und Können, eure gesammelte Kraft der intuitiven Schau und Visionsbildung, um einen gemeinsamen Weg zu finden. Das Leiden der Welt einschließlich eures eigenen ist von Menschen verursacht worden, es kann auch durch Menschen geheilt werden, wenn der Weg dafür gefunden wird. Ich gebe euch für dieses Forschungsprojekt drei Jahre Zeit. Bis dahin sollten die wesentlichen Bahnen des Heilungsvorgangs gefunden sein. Öffnet euren Geist für meine Gegenwart, denn ich helfe euch, wenn ihr Hilfe braucht. Ich wünsche euch viel Mut und Entdeckerfreude bei eurer Arbeit.“

Tatsächlich haben wir vor, diese Geschichte in die Tat umzusetzen. Viele Menschen, die den apokalyptischen Druck der Zeit spüren, sind jetzt bereit, mit vollen Kräften in einem Projekt von dieser Größenordnung mitzuarbeiten.

Wir beginnen nicht mit einer Tabula rasa, denn das Projekt wird seit vielen Jahren vorbereitet. Dabei ist ein sehr erfahrenes Leitungsteam entstanden: Sabine Lichtenfels (Theologin), Rainer Ehrenpreis (Physiker), Paul Gisler (Automechaniker), Roland Luder (Physiker), Amelie Weimar (Ärztin), Oskar Eckmann (Lehrer), Barbara Kovats und viele mehr.

Außerdem betreibt Tamera seit einigen Jahren eine Friedensschule, in der vor allem junge Menschen auf die Aufgaben und Berufe in der kommenden Friedensarbeit vorbereitet werden. Die Ausbildung dauert drei Jahre. Das „Experiment Monte Cerro“ selbst ist ein solcher Ausbildungsabschnitt. Zur Ausbildung gehören theoretischer Unterricht, handwerkliche Ausbildung, geschichtliche Expeditionen und Einsätze in Krisengebieten. Die künftigen Friedensarbeiter sollen durch die Erfahrungen vor Ort (Israel, Palästina, Kroatien, Bosnien, Kolumbien, Indien) die Gedanken und Ziele der globalen Friedensarbeit kennenlernen. Wer mit eigenen Augen gesehen, am eigenen Leib gefühlt und mit eigenem Herzen verstanden hat, was heute weltweit geschieht, wird sich auf tiefere Weise am Aufbau einer humanen Alternative beteiligen. Die Welt braucht Hilfe!

Der Modellcharakter des Experiments verlangt eine weitgehend autarke Versorgung mit Nahrungsmitteln, Trinkwasser und Energie. Da sich die kommenden Heilungsbiotope von der Mittäterschaft bestehender Versorgungssysteme und Wirtschaftsweisen entbinden müssen, ist das Gebot einer optimalen Selbstversorgung nicht nur eine ökologische, sondern auch eine ethische Forderung. Wir müssen wieder wissen, woher die Nahrung kommt, die wir zu uns nehmen. Nach und nach gilt dies auch für die anderen Konsumbereiche. Das „Experiment Monte Cerro“ hat 134 ha karges Land zur Verfügung, um daraus ein fruchtbares Biotop zu machen. Durch die Erfahrungen mit Permakultur (Holzer, Fukuoka etc.), mit Pflanzenkommunikation (Findhorn, Dorothy MacLean), mit Friedensgärten (Eike Braunroth), mit Aquakultur und Wasserheilung (Schauberger und andere), mit Solartechnologie (Kleinwächter und andere), mit Energiearbeit und Geomantie (Pogacnik und andere) könnten neue ökologische Konzepte entstehen, die über den Platz hinaus Bedeutung haben. Boden und Vegetation der ganzen Region brauchen dringend eine umfassende ökologische Heilung.

Ein neues Verhältnis zu Natur und allen Mitgeschöpfen

Für den Umgang mit der Natur gilt das Prinzip von Albert Schweitzer: „Ehrfurcht vor dem Leben und Achtung gegenüber allen Mitgeschöpfen.“ Dazu gehört auch ein Wohnsystem, welches sich in die Natur einfügt und auch den Tieren einen Platz gibt, wenn sie den Kontakt zu Menschen suchen. Das gilt nicht nur für die anerkannten Haustiere, sondern auch für Tiere wie Mäuse, Ratten, Siebenschläfer, Vögel oder Kröten. Sie haben einen wichtigen Platz in der Schöpfung. Überhaupt gehört zu den Zielen der Heilungsbiotope ein anderer Umgang mit den Lebewesen der Natur, auch eine gewaltfreie Einstellung zum sogenannten Ungeziefer. Denn sie alle sind Teil der großen Familie, die wir das Leben nennen. Die Naturwesen (Devas) folgen einer geistigen Orientierung, die auf Kooperation mit dem Menschen ausgerichtet ist. Mensch und Tier bilden eine planetarische Gemeinschaft. In der heiligen Matrix der Schöpfung sind sie nicht auf Krieg, sondern auf Ko-Evolution und Kooperation angelegt. Wir arbeiten nicht nur für das eigene Überleben, sondern wir arbeiten am Modell einer gewaltfreien, nachhaltigen Ökologie im Einklang mit den Lebensgesetzen der Biosphäre.

Grundlagenforschung: Strukturen der Wirklichkeit

Neben den praktischen Projekten wird es im (geplanten) Universitätsbereich eine Abteilung für Grundlagenforschung geben: Energieforschung (Nutzungsmöglichkeiten der „freien“, kosmischen Energie etc.), Materieforschung (was ist eigentlich Materie?), Wasserforschung, Strömungsforschung (Alfred Wake-man, Theodor Schwenk, Victor Schauberger), Schwingungs- und Resonanzforschung, Lebensforschung, Funktions- und Strukturlogik in lebendiger Materie. Ein anderes Prinzip der Kraft. Die Wirkungsweise von Feldkräften. Das Phänomen der „Synchronizität“ von geistigen und materiellen Ereignissen. Das Prinzip der spirituellen Anziehung. Feinstoffliche Energie- und Informationskreisläufe. Harmonikale Forschung. Wirkung von Klängen auf Lebensvorgänge. Bedeutung der Eiform etc. Die Grundlagenforschung zielt auf technologische und ökologische Erneuerungen, wird sich aber zunehmend mit Bewusstseinsforschung verbinden, da es letztlich geistige Kräfte sind, welche das Leben der materiellen Welt steuern. Den Strukturen der Wirklichkeit liegt eine geistige Matrix zugrunde. Deshalb ist eine Heilungsarbeit, die auf Veränderung unserer materiellen Umwelt gerichtet ist, immer auch eine Arbeit an der geistigen Matrix. (Dazu gehören nicht zuletzt geistige Forschungsbereiche wie „Gebetsforschung“, Meditation, Ethik, Visionsarbeit etc.)

Kunst

Zum kulturellen Leben des Projekts gehören alle Formen künstlerischen Arbeitens: Malerei, Musik, Tanz, Theater, Steinsetzungen und Skulpturen zur Landschaftsheilung, Geländegestaltung und manches andere. Es geht dabei unter anderem um das Wiederfinden von Gestaltungsprinzipien, die in der Schöpfung selbst angewendet werden, zum Beispiel: absichtsloses Handeln mit hoher Treffsicherheit, anstrengungsfreie Konzentration und ein spielerischer Umgang mit Schwierigkeiten (Wu-Wei und Mo-chi-chu im Taoismus). Kunst ist in diesem Sinne die Anwendung von autonomen Schöpfungsvorgängen in bewusster Gestaltung, sie nähert sich so dem ursprünglichen Zusammenhang von Kunst und Kult. Durch gemeinschaftliche Aktionen und humorvolle Rituale wird Freude und kreative Energie erzeugt. Künstlerisches Handeln, wie es beispielsweise in dem Buch „Der Heilige Gral des Mannes ist die Frau“ dokumentiert ist, gehört zum Heilungsprozess der kommenden Kultur. Geplant sind die Errichtung einer Kunsthalle als Galerie und Theaterraum, eines Freiluftateliers und eines speziellen Gebäudes („Futuroskop“) für die Aufführung futuristischer Theaterstücke.

Weitere Arbeitsbereiche

(Hier seien nur einige wichtige Bereiche erwähnt, für die weitere Mitarbeiter und spezielle Fachkräfte gebraucht werden.)

Werkstatt, Handwerk und Technik – Aufbau des Jugendplatzes – Jugendschule – Kinderaufwachsen – Pilgerherberge – Studentenzentrum – Pferdehof – Kunsthandwerk – Laden – Heilung – politische und menschliche Netzwerkarbeit – Medienagentur – Verlag – Computer – Tagungsfirma – Küche – Ernährung – Verwaltung – Ökonomie – Ökologie …

Alles dies kann langfristig nur gelingen auf der Grundlage einer menschlich funktionierenden, stabilen Gemeinschaft. Damit sind wir beim Thema Gemeinschaft, einem Kernthema des Projekts, welches nicht in wenigen Sätzen umrissen werden kann. Wir können die besten Ziele nicht verwirklichen, wenn wir nicht in der Lage sind, funktionierende, überlebensfähige Gemeinschaften zu gründen. Der ökologische Humanismus braucht eine neue soziale Struktur. Im menschlichen Zusammenleben der langen Projektgeschichte sind erstaunliche Erfahrungen gesammelt worden, die uns zu tieferen Gedanken über Gemeinschaftsbildung und zwischenmenschliche Solidarität veranlasst haben.

Einige Fragen des Experiments

Die Teilnehmer sollen lernen, wie man harmonisch zusammenleben und arbeiten kann. Sie sollen außerdem mitarbeiten an den geschichtlichen und menschheitlichen Themen unserer Zeit und einen Weg der Heilung finden. Es ist eine kleine Modellgesellschaft, wo die grundlegenden Fragen noch einmal neu gestellt werden müssen, ohne auf fertige Antworten zurückzugreifen:

• Wieviel Führung braucht eine Gemeinschaft von dieser Größenordnung?

• Wie kann eine effiziente Koordination der verschiedenen Arbeitsbereiche gewährleistet werden?

• Wie ist das gesunde Verhältnis von individuellen Freiräumen und Erfordernissen der Gemeinschaft?

• Durch welche Lebens- und Arbeitsformen werden in den Einzelnen ihre höchsten Potentiale geweckt?

• Was ist es, was einen Menschen dauerhaft glücklich macht?

• Wie können Konflikte gelöst werden?

• Wie können die Schwierigkeiten im Verhältnis der Geschlechter aufgelöst werden?

• Wie können die Mitgeschöpfe der Natur in die Friedensarbeit einbezogen werden?

• Wie sieht das Zusammenleben mit Tieren aus, die sich ungerufen in Häusern und Gärten einnisten, weil sie die Nähe des Menschen suchen (Vögel, Mäuse, Ratten, Kröten, Schlangen, auch das sogenannte „Ungeziefer“)?

• Wie kann man mit den Naturwesen (Devas) kommunizieren?

• Wie sehen sinnvolle Unterrichtsprogramme für die Jugend aus?

• Wie kann ein gesundes Aufwachsen der Kinder ermöglicht werden?

• Was ist eine gesunde Ernährung?

• Wie kann das Quellwasser und Trinkwasser vitalisiert werden?

• Wie kann man den gemeinsamen Konsum auf mittäterfreie Produkte beschränken, ohne in falsche Askesevorstellungen zu geraten oder auf das Stadium von Höhlenmenschen hinabzusinken?

• Wie baut man Recyclingsysteme mit maximaler Abfallverwertung? („Die Natur kennt keinen Abfall.“)

• Wie kann man lange und konzentriert arbeiten, ohne zu ermüden?

• Worin besteht eine aus eigener Erfahrung kommende spirituelle Lebenspraxis?

• Wie kann eine lebendige Netzwerkarbeit organisiert werden?

• Wie kann bei der Fülle der Aufgaben eine gemeinsame Schwingung von Ruhe und Freude erzeugt werden?

Wir gehen davon aus, dass nicht alle diese Fragen eine fertige Antwort finden werden, denn wir befinden uns in einem werdenden Universum. Wir glauben aber, dass sich bei guter Arbeit die Richtungen für überzeugende Lösungen herauskristallisieren werden. Es geht darum, einen neuen Weg zu finden für das Zusammenleben im menschlichen Biotop. Einen Weg, wo sich die menschliche Ordnung wieder verbinden kann mit den höheren Ordnungen des Lebens und der Schöpfung.

Der spirituelle Anker

Alles irdische Leben ist eingewoben ins kosmische Leben, es gibt keine grundsätzliche Trennung zwischen Diesseits und Jenseits, zwischen irdischer und kosmischer, materieller und geistiger Welt. Die anstehenden Aufgaben wären nicht zu lösen, wenn uns nicht aus dem Weltenganzen göttliche Kräfte zu Hilfe kämen.

Der spirituelle Fokus des Projekts ist nicht auf das Jenseits gerichtet, sondern auf die leibliche, sinnliche Welt der Erde. Die Teilnehmer werden deshalb die jahrtausendelang verdrängten weiblichen Quellen des Lebens wiederentdecken und in ihre Zukunftsarbeit integrieren. (Deshalb die große Bedeutung der Themen von Liebe, Sexualität und neuen Geschlechterrollen.)

Zur Zeit befindet sich ein spezieller „Politischer Ashram“ im Aufbau, wo die Kooperation mit den Schöpfungskräften gelernt werden kann. Alle Teilnehmer haben die Möglichkeit, in diesem Gelände ihre spirituellen „Exerzitien“ oder „Retreats“ durchzuführen. Der Aufbau funktionierender Zukunftsgemeinschaften wird ohne den Neuaufbau solider spiritueller Fundamente nicht mehr möglich sein. Eine neue Kultur entsteht aus der Wiederverbindung mit den göttlichen Gesetzen von Leben und Universum. Es gibt sicher viele Wege zu diesem Ziel, aber es gibt vielleicht nur einen Schlüssel, um das Tor zu öffnen: das wiedergefundene VERTRAUEN.

Voraussetzungen für eine Mitarbeit

Oft werden wir gefragt, welche Voraussetzungen die Menschen erfüllen müssen, um an dem Experiment teilnehmen zu können. Entscheidend ist die innere Bereitschaft zur engagierten Teilnahme und die Übereinstimmung mit den menschlichen Qualitäten, die wir als die „ethische Basis“ bezeichnen:

• Wahrheit

• Gegenseitige Unterstützung

• Verantwortung übernehmen für die Gemeinschaft.

Das sind keine geringen Qualitäten, sie hängen nicht ab von einem akademischen Grad oder einer beruflichen Position, sondern nur vom Stand des Bewusstseins der Einzelnen.

Die Maßnahmen, welche die Welt für ihre Heilung braucht, müssen wir auch an uns selbst vollziehen. Die Teilnehmer müssen deshalb zu einem hohen Maß von Selbstveränderung und Überwindung alter Gewohnheiten bereit sein.

„Monte Cerro” wendet sich vor allem an junge Menschen zwischen 18 und 40 Jahren, die bereit sind, diejenigen Aufgaben und Berufe zu ergreifen, die für den Aufbau von Heilungsbiotopen erforderlich sind. Auch ältere Menschen sind herzlich willkommen, wenn sie sich auf die neuen Lebensverhältnisse einstellen können. Die Teilnehmer wissen, dass Krisen und Konflikte in einem so neuartigen Experiment unvermeidlich sind. Sie sind entschlossen, die auftretenden Schwierigkeiten für ihren Weg des Lernens zu benutzen und – wenn irgend möglich – die drei Jahre dabei zu bleiben. Es ist deshalb wichtig, sich vorher gründlich über Sinn und Ziel dieses Experiments zu informieren.

Gemeinschaft als Forschungsthema

Die genannten Aufgaben werden nur auf der Basis einer menschlich gut funktionierenden Gemeinschaft durchgeführt werden können. Zu viele Gemeinschaftsprojekte sind in der Vergangenheit infolge ungelöster menschlicher Konflikte gescheitert, als dass wir hier noch naiv bleiben könnten. Wenn wir einen nachhaltigen ökologischen Humanismus verwirklichen wollen, müssen wir einen menschlichen, sozialen, sexuellen Humanismus finden, welcher die Teilnehmer von den Altlasten und Schmerzen der Vergangenheit erlöst. Nicht nur in der äußeren Welt, sondern auch in uns selbst liegen die Schwierigkeiten, die einem weltweiten Heilungsvorgang im Wege stehen. Vor allem die Konfliktfelder um Geld, Macht, Liebe und Sex bilden innere Barrieren, die durch bloße Friedensappelle nicht zu überwinden sind. Im alltäglichen Zusammenleben sind es oft ganz einfach anmutende Faktoren wie unerfülltes Kontaktbedürfnis, Dominanzstreben, Konkurrenz um Liebe und Sex, Eifersucht, unbewusste Negativprojektionen, Angst vor Verurteilung etc., welche in Hunderten von Projekten das Gruppenleben von innen her zerstört haben. Da es sich aber bei diesen Faktoren nicht nur um individuelle Schädigungen, sondern vor allem um die Folgen einer kollektiven Kulturkrankheit handelt, können sie auch nicht auf individueller Ebene nachhaltig aufgelöst werden.

Wir alle tragen den Urschmerz einer großen Verletzung in uns. Wir alle haben im Laufe unserer karmischen Lebensreise viele Wunden erhalten. Heilungsarbeit in dem gemeinten Sinn bedeutet, diese Wunden bei sich und anderen zu heilen. Das ist der Auftrag, und das ist auch die Verheißung, die uns mit der göttlichen Parabel aus dem vorigen Kapitel zugesagt worden ist: Ihr sollt und ihr könnt die alten Wunden heilen. Die Wegweiser dafür heißen: Wahrheit – gegenseitige Unterstützung – Verantwortung für die Gemeinschaft und Dienst am Leben. Und außerdem: Helft anderen, so wird auch euch geholfen.

Wir kommen hier zu einem tieferen Begriff der „Nachhaltigkeit“, denn die notwendigen ökologischen Veränderungen verlangen menschliche Veränderungen, und die können dauerhaft nur eintreten, wenn wir an die Wurzel gehen und neue Grundmuster für Kultur und Gesellschaft entwickeln. Die Herstellung von Vertrauen unter Menschen, die Ermöglichung von Wahrheit und zwischenmenschlicher Transparenz ist nicht nur ein individuelles, sondern vor allem ein gesellschaftliches, kulturelles, wirtschaftliches und politisches Thema. Das ist ein Basisgedanke des Projekts der Heilungsbiotope. Wir müssen Gemeinschaften entwickeln, in denen Lüge, Hinterlist und Betrug keinen evolutionären Vorteil mehr besitzen.

Wir brauchen neue gesellschaftliche Strukturen, die ein dauerhaftes Zusammenleben in Wahrheit, Liebe und Vertrauen überhaupt erst ermöglichen. Es ist ein schweres geschichtliches Erbe, welches unsere individuellen Existenzen bis in die intimsten Räume hinein belagert. Dieses Thema muss gelöst werden, damit sich entelechiale Heilungskräfte voll befreien und betätigen können.

Es handelt sich bei dem Forschungsprojekt der Heilungsbiotope um die Entwicklung von Zukunftsgemeinschaften, die in der Lage sind, ihren Teilnehmern neue Erfahrungen von Heilung und Entwicklung zu ermöglichen, die aus einer neuen Erfahrung des Vertrauens hervorgehen. Solche Gemeinschaften gehen zwangsläufig durch eine Reihe von inneren Experimenten, mit denen sie die bisherigen Grenzen verschieben und neues Gelände erschließen. Es geht um Grenzverschiebung und die Ermöglichung anderer innerer Montagepunkte für das eigene Leben. Das ist ein Forschungsabenteuer von großer Bedeutung, vielleicht das größte Abenteuer unserer Zeit.

Man wird sich vielleicht wundern und fragen, ob denn wirklich so aufwendige Forschungsarbeiten notwendig sind, um funktionierende Gemeinschaften zu gründen und im Sinne stabiler Nachhaltigkeit neue Lebensformen zu entwickeln. Die Antwort heißt eindeutig: Ja, es ist notwendig. Die herkömmlichen Alternativmodelle vom einfachen Leben haben nie lange funktioniert, weil sie den immanenten Zerstörungskräften der modernen Zeit nicht gewachsen waren. Die anstehenden Probleme am Ende der patriarchalisch-kapitalistisch-imperialistischen Epoche können nicht mehr auf der Ebene eines urchristlichen oder buddhistischen Agrarkommunismus gelöst werden (wenn dies auch vorübergehend für viele Teilnehmer eine echte Hilfe sein kann). Die Themen unserer Zeit sind dermaßen miteinander vernetzt und verbunden, dass sie nicht isoliert gelöst werden können. Eine wirklich gewaltfreie Ökologie kann nicht ohne ein neues Verhältnis zu unserer eigenen inneren Natur entwickelt werden; Natur im Äußeren und Natur im Inneren sind zwei Seiten desselben Themas, beide werden von derselben Lebensenergie bewegt. Solange wir unsere eigene Natur unterdrücken und verleugnen, werden wir kaum ein liebevolles Verhältnis zu den Mitgeschöpfen der äußeren Natur herstellen können. Ähnlich auch in Technologie und Medizin: Der anstehende Paradigmenwechsel verlangt zunehmende Kooperation mit jenen inneren Kräften, die bislang meistens verdrängt und bekämpft worden sind. Es sind psychische Kräfte, die in jeder lebendigen Materie wirken; Teilhard de Chardin hat sie als die „Innenseite“ der Dinge beschrieben und damit eine neue Schau der materiellen Welt eröffnet. Kosmische, überbewusste, unterbewusste oder verdrängte Kräfte, die bislang den separierten Bereichen von Tiefenpsychologie, Religion, Magie und Kunst zugeteilt worden sind, müssen nach und nach in eine bewusste Lebensführung integriert werden, um die latente Schizophrenie unserer derzeitigen Kultur aufzulösen. Es geht um eine Neugründung unseres Selbstverständnisses als Mensch.

Der sicherste Garant für den Erfolg der Arbeit sind die in jeder Gemeinschaft auftretenden Feldkräfte, die immer einsetzen, sobald unter den Teilnehmern Übereinstimmungen entstehen hinsichtlich neuer Erfahrungen und Grenzüberschreitungen. Es ist dann nicht mehr nur die Eigenkraft, sondern vor allem die Feldkraft, welche den Teilnehmern die neuen Erfahrungen ermöglicht. Wir müssen dann nicht mehr alles selber tun. Wir tun, was wir können, und den Rest: „Let God do“.

Einige psychologische Kriterien moderner Hightech-Arbeit sollten auf die Ebene zwischenmenschlicher, spiritueller und ökologischer Forschungsarbeit übertragen werden, damit eine wirksame und schließlich überlegene Friedenskraft entstehen kann: Kriterien wie geistige Energie, Willenskraft, Kontinuität und Freude auf die Ergebnisse. Auch der Glaube an das Gelingen, die Bereitschaft zu Grenzverschiebungen, die Für-möglich-Erklärung dessen, was bislang unmöglich erschien. Es ist Experiment und Forschung, was hier angesagt ist, nicht das Festhalten an alten Glaubenssätzen. In den stürmischen Transformationsvorgängen unserer Zeit wirft das werdende Universum immer neue Zukünfte an den Horizont unseres Sehkreises. Forschungsarbeit im zwischenmenschlichen und gemeinschaftlichen Bereich heißt immer auch, Schritt zu halten mit dieser Entwicklung, ohne hektisch zu werden. Die richtige Ruhe liegt in der richtigen Geschwindigkeit. Die richtige Haltung liegt in einem Willen, der sich auf eine lange und schwierige Strecke vorbereitet. Es wird deutlich, dass hier auch die Frage nach unserer geistigen und körperlichen Kondition gestellt ist.

Man ahnt, mit welchem thematischen Umfang es eine Gruppe von Menschen zu tun hat, wenn sie die Aufgabe annehmen will, die ihr in der Parabel vom Weltengeist gestellt worden ist. Aber gilt nicht auch hier die Grundregel: Je größer die Aufgabe, desto größer die uns zuströmende Kraft?

Das große Thema von Sexualität, Liebe und Partnerschaft

„Berühre nie, wenn dein Herz nicht offen ist“ – dieser Satz leitet die Menschen von Tamera in ihrem Versuch, Erotik und Sexualität als Ausdruck des Heiligen zu erfahren und zu erleben.

Pia Gyger (Katholische Nonne und Zen-Meisterin, Mitbegründerin des Lassalle-Instituts, Schweiz)

Gebt uns Barmherzigkeit und erlöst uns.

Auch wir waren auf der Suche nach Liebe –

nach dem Zusammenkommen von Mann und Frau.

(Worte, die ein Träumer nachts von seinem verstorbenen Vater empfing.)

Die Liebe zwischen Mann und Frau ist etwas vom Schönsten, was auf unserer Erde erlebt werden kann. Niemand, der oder die sich in diesem Liebeszustand befindet, kann sich vorstellen, dass er jemals zu Ende sein könnte. Und doch scheitern fast alle Liebesbeziehungen. Die menschliche Gesellschaft lebt in einem kollektiven Liebeskummer. Der Bereich, wo wir das Schönste erleben könnten, wird für die meisten ein Bereich tiefer Enttäuschung, tiefen Leids, tiefer Wut und oft endgültiger Resignation.

Das Thema Liebe ist ein Weltthema. „Es kann auf der Erde keinen Frieden geben, solange in der Liebe Krieg ist.“ Gemeint ist der alltägliche Kleinkrieg der Geschlechter – mit seinen schlimmen Folgen für die Kinder. Es sind Kinder, die später als Soldaten in die Kriege ziehen und die Erde verwüsten. Diese Kinder wurden von Eltern gezeugt, die meistens kein sehr überzeugendes Bild der Liebe vorleben konnten. Die Erde befindet sich von Generation zu Generation in einer Situation der unerfüllten Liebe, die von Generation zu Generation zu immer schlimmeren Schmerzen und Verwüstungen führt. Der innere Zusammenhang zwischen unerfüllter Liebe auf der einen Seite und Krankheit oder gnadenloser Brutalität auf der anderen Seite kann heute in jedem Heim und in jeder Biografie gewalttätiger Jugendlicher nachvollzogen werden.

Wir finden ihn in der Lebensgeschichte aller Despoten (siehe die Arbeiten von Alice Miller), und wir finden ihn auch in der Kasuistik psychosomatischer Erkrankungen, wenn wir die Symptome richtig zu deuten verstehen. „All you need is love.“ Die Menschheit braucht Erfüllung in der Liebe, um wieder auferstehen zu können.

Was für eine Liebe ist gemeint?

Jede Liebe. Sinnliche Liebe, seelische Liebe, religiöse Liebe, Nächstenliebe, Tierliebe, Partnerliebe. Im Zentrum steht die Wiedervereinigung der beiden Hälften des Menschen: Mann und Frau. Im Kern des menschlichen Zusammenlebens steht das Zusammenleben der Geschlechter. Ihre Anziehung oder Abstoßung, ihre sexuellen Signale und Verkabelungen, ihre Hoffnungen und Enttäuschungen ziehen sich wie ein geheimes Nervensystem durch die ganze menschliche Gesellschaft, durch jedes Büro, jedes Kaufhaus, jede Versammlung, jede Gruppe. Die beiden Hälften des Menschen sehnen sich nacheinander, verfehlen sich, bekämpfen sich und suchen sich, bis sie sich gefunden haben. Sie müssen sich finden, nicht nur zu zweit, sondern weltweit, denn erst dann kann die tiefste aller Wunden heilen. Von ihrer harmonischen Verbindung hängt weitgehend das Glück oder Unglück der Kinder – und somit aller Menschen – ab, denn wir alle sind einmal Kinder gewesen. In der Heilung der Geschlechterliebe liegt wohl der revolutionärste Schritt gegenwärtiger Heilungsarbeit – nach tausendjähriger Unterdrückung und Verleugnung in der patriarchalen Epoche. Eine neue, humane Kultur wurzelt in einem neuen Verhältnis der Geschlechter.

Wir stehen deshalb vor der zentralen Forschungsfrage: Wie kann der (offene oder latente) Geschlechterkrieg wirksam beendet und durch eine dauerhafte und verlässliche Solidarität ersetzt werden? Wie kann das Glück zweier verliebter Menschen dauerhaft geschützt und bewahrt werden, ohne dass sie es schützen müssen durch zu enge Zäune? Gibt es ein realisierbares Modell der Liebe, wo die Wünsche nach Partnerschaft vereinbar sind mit den Wünschen nach sexuellem Abenteuer und wo die Sehnsucht nach Treue und Intimität nicht verbunden ist mit Verlustangst und Klammerung? Gibt es eine Form des Zusammenlebens, wo die sexuelle Zuwendung eines Menschen zu einem anderen in einem dritten nicht mehr Angst, Wut und Rache hervorruft? In welche zwischenmenschliche Kultur, welche Vertrauensstruktur, welche Form zwischenmenschlicher Wahrheit und Akzeptanz müsste eine solche Liebe eingebettet sein? Auf welcher höheren Ordnungsebene sind Partnerliebe und freie Sexualität miteinander vereinbar? Unter welchen sozialen, sexuellen, ethischen und spirituellen Bedingungen ist eine erfüllte Liebe dauerhaft möglich? Gibt es ein Verhältnis von Religion und Eros, welches beide Seiten steigert und vereint?

Wir geben auf diese Fragen keine ideologischen Antworten, sondern wir suchen nach neuen Erfahrungsräumen für Wahrheit und Erkenntnis. Die neue Epoche braucht ein neues Bild der Liebe und neue Geschlechterrollen für Mann und Frau. Dieses Thema ist ein Kernthema des anstehenden planetarischen Transformationsprozesses. Es kann nur in Verbindung mit allen anderen Themen gelöst werden. Die Lösung beginnt nicht mit einem konfessionellen Bekenntnis zu Monogamie, Polygamie oder Zölibat, sondern mit einer inneren Wahrheit, die unterstützt wird durch die Wahrheit anderer. Es ist ein Wahrheitsfeld, aus dem die Heilung kommt. Die innere Wahrheit, die aus der Quelle kommt, kann sich ebenso in vorübergehendem Zölibat wie in sinnenfroher Polygamie äußern, je nach der Entwicklungsphase, die gerade durchlaufen wird. Wahrscheinlich werden auf dem Weg der Wahrheitsfindung alle Varianten durchlaufen werden, bis es hier – im schwierigsten und heimlichsten Bereich – zu einer gemeinsamen Verständigung und Erleuchtung kommt. Von da an fällt eine Last vom Herzen der Menschheit.

Heilungsvorgänge in der Gemeinschaft durch die Herstellung von Vertrauen

„Glück ist Geborgenheit in Größerem.“

Die Erfüllung des Lebens hängt auch davon ab, welche Antwort ich geben kann auf die Frage: Für was oder wen tust du das? Wenn die Antwort in überzeugender Weise auf etwas Größeres gerichtet ist als nur auf die eigene Person, könnte ein erfülltes Leben in Aussicht stehen. Persönliche Probleme brauchen eine höhere Ordnungsebene, um gelöst werden zu können. Eine solche höhere Ordnungsebene ist die Gemeinschaft. Gemeinschaft bedeutet Leben auf kommunitärer statt privater Basis. Vielleicht ist dies einer der radikalsten Paradigmenwechsel überhaupt: der geistige und moralische Wechsel von einer privaten Lebensführung zu einer kommunitären. Nur so können die Schutz- und Abwehrmechanismen, welche sich die Menschen unserer Zeit in ihrer isolierten Existenz angewöhnen mussten, langfristig abgebaut werden. Das Projekt der Heilungsbiotope hat in seiner 25-jährigen Entstehungsgeschichte einige massive Schicksalsschläge erlitten. Warum konnte die Gemeinschaft sie überstehen? Weil sie ein tragfähiges Energiefeld entwickelt hatte für den menschlichen Zusammenhalt. Die Teilnehmer waren bereits weit genug mit den Regeln kommunitärer Lebensweise vertraut, um nicht in individuelle Resignation abzurutschen.

Gemeinschaft bedeutet, andere Menschen wirklich kennenzulernen und zu sehen, wer sie wirklich sind. Wir geraten nach und nach in jene menschliche Welt, die hinter unseren Filmen und Fassaden liegt. Hier wirken die echten Begegnungen von Zentrum zu Zentrum, von Wahrheit zu Wahrheit, aus denen das echte Vertrauen hervorgeht. Vertrauen ist die ursprünglichste und wirksamste aller Heilkräfte. Die allererste Aufgabe einer Gemeinschaft ist deshalb die Herstellung von Vertrauen unter den Teilnehmern. Ahnt man, was das bedeutet? Weiß man, wie viele Keile in der patriarchalen Geschichtsepoche zwischen die Menschen getrieben worden sind: zwischen Mann und Frau, zwischen Eltern und Kinder, zwischen jung und alt, zwischen Völker und Kulturen? Die Aufgabe, das verlorene Urvertrauen wieder herzustellen, ist gleichbedeutend mit der Aufgabe, im genetischen Code der Menschen ganz neue Informationsketten zu aktivieren. Alte Verhaltensmuster müssen verlassen und durch neue ersetzt werden. Es ist ein Lernvorgang ohnegleichen. Aber hat Elisabeth Kübler-Ross nicht recht, wenn sie sagt, dass alle Lernprozesse im Leben letztlich darauf hinauslaufen, die Liebe zu lernen? Und sollten wir das nicht können? Vergrößern wir einmal unseren Abstand zu dieser Frage. Die Menschheit hat Raumstationen im All gebaut, selbstlenkende Geschosse erfunden, den genetischen Code entschlüsselt und mit Nano-Kanonen auf Krebszellen geschossen – sollte sie nicht auch in der Lage sein, mit gleichem Einsatz und gleicher Beharrlichkeit ihre inneren Themen zu lösen?

';