Terra Nova

Terra Nova Editorial 10. März 2022

„Wir nehmen Teil am Krieg, weil wir keine Zeit haben zu begreifen, was da eigentlich geschieht.“ Dieter Duhm (ganzer Text hier)

 


Liebe Freundinnen und Freunde von Terra Nova,

Wir müssen nicht erst in die Ukraine schauen, um dem Krieg zu begegnen. Krieg entsteht nicht auf den Schlachtfeldern, auch nicht in globalen Strategiekreisen, Regierungen oder Banken. Krieg entsteht hier, bei uns, bei ganz normalen Menschen, in ganz normalen Beziehungen und Familien.
In seiner Wurzel entsteht Krieg, weil wir Teile von uns nicht wahrhaben wollen. Wir tun so, als seien wir völlig harmlos, nett, durch und durch friedlich – und nehmen die verletzten und grausamen Abgründe unseres Mensch-Seins nicht zu uns. Ja, wir sind Liebe. Aber wären wir nur Liebe, woher würden dann Kriege kommen? Ja, wir sind gütig und verantwortlich. Aber wir sind in einer langen Geschichte von Trauma, Verletzung und Erniedrigung auch rachsüchtig, grausam und gemein geworden. Wenn wir diese Teile von uns negieren und wegdrücken und uns auf eine harmlose Oberfläche reduzieren, werden wir sie nicht los. Im Gegenteil, sie agieren sich unbeachtet aus – subtil, unbewusst, unverantwortet – akkumulieren sich, verbinden sich heimlich mit anderen und explodieren an einigen Orten der Erde in Gewalt, Konzentrationslagern und Krieg.

Friedensarbeit besteht deshalb nicht nur aus Demonstrationen und der Aufnahme von Flüchtlingen. So wichtig diese Arbeit ist – um Kriege wirklich zu beenden, muss Friedensarbeit tiefer greifen. Wir Menschen müssen lernen, mit uns auszukommen. Wir müssen unsere unmenschlichen, zersplitterten Teile anerkennen und zu uns zurückholen. Wir müssen lernen, so zu leben, dass sie in uns wieder ein Ganzes werden können. Das ist für mich der tiefste Sinn von Menschlichkeit. Menschen, die sich in diesem Sinne finden und für Friedensarbeit entschließen, werden sich in Liebe Grenzen setzen. Sie werden sich nicht in Ruhe lassen, sondern sich zu einer Entscheidung herausfordern. Erste Gruppen tun sie seit Jahren. Sie erleiden Rückschläge, beginnen von vorn, scheitern – doch ihr Impuls wird von anderen aufgegriffen und weitergeführt. So kommt es zum Impuls eines tiefen Pazifismus, der unscheinbar und zahlenmäßig sehr gering ist, aber für mich die größte Hoffnung bedeutet. Jeder Mensch und jede Gruppe, die in diesem Sinn eine Friedensentscheidung trifft, schafft um sich ein Feld, das sich ausbreitet und einen Heilungsimpuls setzt. Ich wünsche mir, dass viele der Terranauten und Terra-Nova-Studiengruppen daran mitwirken, die Gedanken aufnehmen und so gut es geht in ihrem Leben anwenden.

Als Studientext habe ich einige Auszüge eines Textes von Dieter Duhm zum Thema Pazifismus gewählt – es sind richtig gute Studien-Gedanken zu einer umfassenden gesellschaftlichen Erneuerung, in der der Mensch als Ganzes Platz findet.

Sei herzlich gegrüßt!
Christa


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