Terra Nova

Terra Nova Editorial vom 7.12.23: Gaza, Advent und Wunder

„In den Herzen wird´s warm. Still schweigt Kummer und Harm.“ Advents-Zauberspruch .
Und: „Wo Bewusstsein ist, kann kein Krieg sein.“ Sabine Lichtenfels

Liebe FreundInnen von Terra Nova,

Ich sitze zwischen sich füllenden Umzugskartons in einer sich leerenden Wohnung – bald ziehen wir an die Ostsee. Hier gibt es mehr Informationen dazu, trage dich vielleicht in den Newsletter ein, wenn du erfahren willst, wie du im nächsten Jahr zu Besuch kommen, bei uns Ferien machen oder mithelfen kannst: www.terranova-begegnungsraum.de

Ich schaffe mir in dieser Adventszeit täglich Momente der Besinnung und Andacht. Mein Herz und Geist geht dann immer sehr schnell nach Gaza. Es ist nicht auszuhalten, was dort geschieht. Immer wieder frage ich mich, ob es irgendetwas gibt, das wir tun können, um das Leid und die entsetzliche Not so vieler Menschen zu beenden. (Es wird dabei immer vom Sterben der Frauen und Kinder gesprochen. Aber auch Männer sterben!) Ehrlich gesagt, war ich noch nie so mutlos. Es sieht so aus, als müssten wir anerkennen, dass wir die Bomben derzeit nicht aufhalten können. All unsere Worte, Gebete, Aufrufe, Demonstrationen und Diskussionen scheinen nichts zu bewirken. Wir sollen trotzdem weitermachen – aber ich glaube, in aller Demut. Ich glaube, nur ein Wunder kann im Moment helfen. Das können wir nicht bewirken, aber wir können uns für das Wunder bereitmachen. im eigenen Inneren, im Denken und Handeln. Das ist für mich Advent.

Auch in den schwierigsten Situationen gibt es Wunder der Menschlichkeit. Ich war vor einigen Tagen als Zuschauerin in einer Fairtalk-Talkshow, wo ich erleben durfte, wie Debatte auch (noch) gehen kann. Die Diskutierenden waren in ihren Meinungen zum Israel-Palästina-Krieg so weit voneinander entfernt wie nur möglich. Ich selbst wurde wütend über einige als „Fakten“ dargestellte, meiner Meinung nach falsche Deutungen. Ich hätte kaum so sachlich, höflich, zuhörend bleiben können wie die Redner. Und sie gingen sogar aufeinander ein, ließen das Gesagte auf sich wirken – und stellten ihre andere Meinung trotzdem klar dazu. Das zumindest können wir tun: Unseren Streit, unsere Wut und Rechthabewillen nicht auch noch dem Krieg hinzufügen. Friede entsteht in den seltensten Fällen, indem einer Recht hat und der andere das zugibt. Friede – zumindest unter Menschen, die sich begegnen können – entsteht durch Raum und Zeit für Kontakt und Einfühlen. Zum Thema Mitgefühl ist der heutige Studientext, ein Gedicht von Thich Nhat Hanh.

Und ich erinnere noch einmal an den Text von Dieter Duhm zum Gaza-Krieg.

Mit herzlichen Friedensgrüßen

Christa

Weitere Einladungen und Empfehlungen aus dem Terra Nova Netzwerk: dazu bitte auf „weiterlesen“ klicken:

Weiterlesen

Bitte, nenne mich bei meinen wahren Namen

Thich Nhat Hanh

Sag nicht, dass ich morgen scheide – denn ich bin noch gar nicht ganz da.

Schau: Jede Sekunde komme ich an, um zu werden die Knospe am Frühlingszweig,
ein kleiner Vogel mit Flügeln, die noch nicht tragen, im neuen Nest lern ich gerade erst singen,
eine Raupe im Herzen der Blume und ein Juwel, verborgen im Stein.

Ich komme gerade erst an, um zu lachen und zu weinen,
mich zu fürchten und zu hoffen.

Der Schlag meines Herzens ist die Geburt und der Tod von allem, was lebt.

Ich bin die Eintagsfliege, die vielgestaltig schillert auf der Oberfläche des Flusses.
Bin auch der Vogel, der gerade noch rechtzeitig kommt, die Fliege zu schnappen.

Ich bin der Frosch, der ganz zufrieden im klaren Wasser des Teichs hin- und herschwimmt,
und bin die Schlange, die geräuschlos sich nähernd vom Froschfraß lebt.

Ich bin das Kind aus Uganda, nur Haut und Knochen mit Beinen so dünn wie Stöcke aus Bambus,
und ich bin der Kaufmann, der tödliche Waffen nach Uganda verkauft.

Ich bin das zwölfjährige Mädchen, Flüchtling in einem kleinen Boot,
das sich in den Ozean wirft, nachdem es von einem Seepiraten vergewaltigt wurde.

Und ich bin der Pirat, mein Herz ist noch nicht fähig, zu sehen und zu lieben.

Ich bin ein Mitglied des Politbüros mit reichlich Macht in meinen Händen, und ich bin der Mann, der seine „Blutschuld“ an sein Volks zu zahlen hat, langsam sterbend in einem Arbeitslager.

Meine Freude ist wie der Frühling,
so warm, dass sie die Blumen in allen Lebensformen erblühen lässt.

Mein Schmerz ist wie ein Fluss von Tränen, so voll, dass er die vier Meere füllt.

Bitte sprich mich mit meinen wahren Namen an,
damit ich all meine Schreie und mein Lachen zur selben Zeit hören kann, damit ich sehen kann, dass meine Freude und mein Schmerz eins sind.

Bitte sprich mich mit meinen wahren Namen an, damit ich aufwachen kann, und das Tor meines Herzens offen bleiben kann.
Das Tor des Mitgefühls.

Thich Nhat Hanh


Ring der Kraft vom 4.12.23

Ring der Kraft vom 4.12.23

(Der Ring der Kraft ist ein politisch-spirituelles Friedensnetzwerk seit 2002, initiiert von Sabine Lichtenfels. Mehr dazu hier.)

 

Die Friedensbotschaft der Woche von Sabine Lichtenfels kommt noch einmal aus der Schweiz: 

Die Karte der Woche ist: „Blauer Lotus“. 

Die indigene Kraft von heiligen Pflanzen, die Menschen das Geschenk machen, in die ganzheitliche Sicht der Welt zu schauen. Blauer Lotus macht uns auch darauf aufmerksam, dass es für jede Krankheit eine Heilung gibt.

Ich zog eine zweite Karte: „Der Denker“. Er fragt uns in dieser Zeit: Welche Macht ist höher als Gewalt? Durch was finden wir die Kraft, ein Friedensfeld auszubreiten. Es ist die große wachsende innere Bereitschaft, auf die Kräfte des Lebens zu horchen. Alle Aktionen, die aus der Wut und Ohnmacht kommen, nutzen nichts. Die echte Radikalität ist im Inneren zu finden. Was ist wirkliche Menschlichkeit? Wie transformieren wir das kollektive Trauma des Krieges?

Wenn du Sabine Lichtenfels und ihre Projekte finanziell unterstützen möchtest, nutze dazu bitte diesen Link.


';