Eine meiner Lieblingsszenen von Charly Chaplin, die du hier auch anschauen kannst: Ein Beispiel dafür, wie Angst die Realität verändert.
Auszug aus einem Artikel für die Zeitschrift „Sein“ in Berlin, von Christa Dregger
Strapazieren wir einmal unsere utopische Fantasie! Stellen wir uns vor: ein Leben ohne Angst vor anderen Menschen… Also: Wir gehen morgens aus dem Haus zur Arbeit – nicht aus Leistungsdruck oder weil wir Angst haben, unsere Familie sonst nicht ernähren zu können. Sondern weil wir die Arbeit gern tun und sie sinnvoll finden. Wir setzen uns in der Straßenbahn neben einen fremden Menschen und beginnen ein Gespräch. Natürlich interessiert uns der Sitznachbar, warum sollten wir schweigen, wenn wir keine Angst mehr vor Peinlichkeit haben? Vielleicht mischen sich andere ein, weil wir ein interessantes Thema gefunden haben.
Wenn wir jemanden attraktiv finden, dann zeigen wir das – warum nicht? Wir haben ja schließlich keine Angst: nicht davor, dass der Lebensgefährte erschrickt, denn der hat ja auch keine Verlustangst mehr. Auch nicht vor Ablehnung: Wenn der andere mich nicht so attraktiv findet oder gerade anderes im Kopf hat, sagt er es freundlich, aber ohne unnötige Aggression, denn er hat ja auch keine Angst.
Ohne Angst werden wir uns weder bei der Arbeit noch im Verkehr noch in der Familie gegen andere behaupten, recht haben, miteinander konkurrieren, uns übertrumpfen, Anerkennung suchen. Denn wir kennen unsere Liebenswürdigkeit. So werden die Gespräche interessanter, Kontakte erfüllender, man hört sich tatsächlich zu. Wir essen, wenn wir Hunger haben – nicht aus Langeweile oder um Aggressionen oder Ängste abzubauen. Wir kaufen etwas, weil wir es brauchen, es uns das Leben erleichtert oder wir es schön finden – nicht aus Statusgründen, Langeweile oder Gier. Wenn wir etwas verkaufen, versuchen wir, gemeinsam mit dem Käufer einen fairen Preis zu ermitteln – und nicht so viel wie möglich für uns selbst herauszuschlagen. Wir müssen überhaupt kein Geld mehr anhäufen, um uns sicher zu fühlen. Wir haben auch keine Angst mehr vor uns selbst und vor dem Allein-Sein. Wir müssen uns nicht mehr ablenken durch riesige Unterhaltungsprogramme. Wir fahren nicht mehr um die halbe Welt, um Abenteuer oder Entspannung zu finden – wir sind dort, wo wir sind, mit ganzem Herzen und ohne Angst. Wenn ein Freund oder eine Freundin etwas braucht, was wir haben, schenken wir es ihr gerne. Auch ohne Geld, denn er oder sie liegt uns am Herzen, und wir haben ja keine Angst, dass wir dann selbst zu wenig haben könnten. Durch den intensiveren Kontakt in unserem Umfeld merken wir, wenn Nachbarn Hilfe benötigen – und helfen. Umgekehrt sind wir uns nicht zu schade, um Hilfe zu bitten, wo wir sie selbst einmal brauchen. So entstehen lebendige Schenkökonomien.
In diesem Podcast kannst du Editorial und Studientext auch HÖREN.