Terra Nova

Terra Nova Rundbrief vom 2. Januar 2025

Terra Nova Rundbrief vom 2. Januar 2025

„Es gibt hunderte Arten, die Erde zu küssen.“ Rumi

Liebes Terra Nova Netzwerk,

Wir sind zum Jahreswechsel in der Nähe von Tamera, um uns gut für das neue Jahr auszurichten. Es ist eine stille Zeit hier, und in einzelnen Begegnungen und Zusammenkünften finden sich kleine und größere geistige Juwelen, die ich gerne aufhebe. So sagte eine Frau am Raunachtfeuer als einen ihrer Wünsche fürs nächste Jahr: „Krieg beenden, Frieden leben, in jedem Moment, so gut es geht“. Etwas in ihrer Stimme ließ aufhorchen – das war nicht nur eine Floskel, sie meint es ernst. Was das heißt… Frieden leben! – bei all den Herausforderungen, Konflikten, Prozessen, unabsichtlichen Beschämungen und Beleidigungen, die das Leben unter Menschen mit sich bringt.

In der Silvesternacht sagte jemand beim Rück- und Vorausblick sinngemäß: „Hinter Konflikten und Unfrieden steht oft die noch zu wenig ausgedrückte Liebe füreinander.“

Kann es so einfach sein? Dass wir Konflikt und Abgrenzung wählen, weil es uns zu herausfordernd vorkommt, unsere Liebe auszudrücken? Damit ist ja nicht nur gemeint, ein bisschen netter zueinander zu sein. Damit ist echter Kontakt gemeint – und der schließt Uns-Zeigen, Füreinander-Da-Sein, ehrliche Wertschätzung und auch solidarische Kritik ein. Und es geht noch weiter.

Einer der beeindruckendsten Menschen, denen ich im vergangenen Jahr begegnet bin, ist Eugen Drewermann, der streitbare Theologe. Seit einigen Tagen lese ich intensiv sein aktuelles Buch «Nur durch Frieden bewahren wir uns selber». In diesem Buch über die religiöse Grundlage der Gewaltfreiheit kommen die beiden Seiten seiner Kernaussage zu Wort: das Entsetzen über die immer brutalere Kriegsgeschichte – und die Existenz einer absolut wohlwollenden Gotteskraft. Eine Existenz, die wir Menschen hartnäckig verleugnen, wenn wir blind auf unsere angst-gesteuerten Illusionen reagieren. Was anders sollte diese göttliche Existenz denn sein als die Liebe selbst?

Im Kern des Buches steht die Aussage von Jesus in der Bergpredigt: „Wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere hin“ (Mt 5,39). Kann das ernstzunehmen sein – für einen Einzelnen, sogar für einen Staat? Drewermann findet eine für mich neue und erhellende Erklärung für das Jesus-Wort, er beschreibt eine liebende Haltung für Konfliktsituationen, die ich als Studientext schicke.

Von Herzen wünsche ich einen guten Start ins neue Jahr – und viel Mut beim mehr Liebe-Ausdrücken!

Christa

 

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Vertrauen statt Angst

Vertrauen statt Angst

Jesus sagte laut Bergpredigt: „Wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere hin“ (Mt 5,39). Kann das ernstzunehmen sein – für einen Einzelnen, sogar für einen Staat? Drewermann findet eine erhellende Erklärung.

Eugen Drewermann

Wie ein Friede der Angstüberwindung sich in der Realität ausnimmt, verdeutlicht gerade jenes so irreal erscheinende Jesus-Wort von der anderen Wange (Mt 5,39), wenn wir es uns nur so recht klar machen. Gewiss, man kann bei einer übergriffigen Tätlichkeit, im Fall eines erlittenen Unrechts, «zurückschlagen» und seine Genugtuung darin finden, dem anderen ein Gleiches zuzufügen; statt Frieden entsteht dann ein Kampf um das Recht, das womöglich beide Parteien für sich in Anspruch nehmen. Das heisst: Selbst wenn es dir gelingt, den «Übeltäter» in die Knie zu zwingen, wird sich in seinen Augen doch nur erneut das Recht des Stärkeren bestätigen, und du wirst seine Feindschaft verewigen.

Doch weisst du eigentlich, was er beabsichtigte mit seinem Tun? Weiss er es selber? – Ein Schlag auf die rechte Wange kann nur mit der linken Hand geführt werden, die seit altersher dem Unbewussten zugeordnet wird; wäre es da nicht möglich, dass dein Gegner etwas ganz anderes wollte, als sich in seiner Tat auszudrücken scheint? Geschlagen hat er dich, das stimmt; aber vielleicht meint er in dir jemanden ganz anderen – seinen Vater, seinen Bruder, und er übertrug uralte Gefühle auf dich. Was ging und geht da in ihm vor sich?

Du kannst es nur für ihn oder für dich selbst herausfinden, wenn du den Schlag bewusst, von rechts, sich wiederholen lässt. Du weisst, dass du seine Attacke nicht verdient hast, und wenn du jetzt ruhig und ohne Angst nicht deinen Rachefantasien nachgehst, sondern auf den Angreifer zugehst, klärst du unter Umständen sein mögliches Missverständnis auf; durch dein eigenes Vertrauen machst du ihn zu deinem Vertrauten und eines Tages womöglich zu deinem Freund und Verbündeten; in jedem Fall zeigst du ihm, dass du anders bist, als er geglaubt oder gefürchtet hat. Die todverschattete Welt der Angst bricht auf und öffnet sich dem Licht.

Aus dem Buch: «Nur durch Frieden bewahren wir uns selber – die Bergpredigt als Zeitenwende», Patmos 2023


Terra Nova-Podcast: Vergebung und Gemeinschaft statt Rache

Ein Gespräch mit Phoebe Andrea Regelmann und Elisa Gratias nach ihrer Rückkehr von der Friedensgemeinschaft San José de Apartadó
 
Im kolumbianischen Regenwald leben einfache Kleinbauern, die in meinen Augen zu den mutigsten Menschen der Welt gehören: die Friedensgemeinde San José de Apartadó, die sich vor 27 Jahren in einem Umfeld von Gewalt, Mord und Vertreibung gründete. Darüber spreche ich in meinem Terra-Nova-Podcast mit Phoebe Andrea Regelmann und Elisa Gratias, die gerade von der Reise zur Friedensgemeinschaft zurückgekehrt sind.
 
 

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