Terra Nova

Terra Nova Editorial vom 9.6.22: Selbstorganisation

„Die schwindelerregende Komplexität der Selbstorganisation innerhalb einer Zelle und das integrierte ökologisch-kosmologische System der balinesischen Reisterrassen sind gleichermaßen Teil einer umfassenden Kreativität des Universums, das seine eigene Schöpferin ist.“

Fabian Scheidler

 

Liebe Freundinnen und Freunde von Terra Nova,

ich möchte dir ein gelungenes Beispiel für Selbstorganisation vorstellen, das der Autor und Philosoph Fabian Scheidler auf dem Pfingstsymposium der GEA Waldviertler geteilt hat. Es geht um die effiziente Wasserversorgung auf Bali, die sich im Laufe von Jahrhunderten entwickelt hat und der Insel trotz großer Bevölkerungsdichte und schwierigen Bodenverhältnissen einen hohen Grad an Lebensmittelautonomie und damit Reichtum beschert hat. Ich frage mich so oft, was es braucht, damit Selbstorganisation funktioniert. In der Natur, in Schwärmen, bei indigenen Völkern sieht das immer so mühelos aus. Unter heutigen Menschen gibt es ohne Leitung eher Chaos und Streit, da es den meisten mehr um ihre Profilierung oder Berührungsängste geht als um das Gemeinsame – oder aber sie ordnen sich bis zur Selbstaufgabe unter, was auch nicht dem Ganzen dient.
Was also sind die Bedingungen dafür, dass Selbstorganisation funktioniert?
Am Beispiel der balinesischen Wasserversorgungsgemeinschaften, der Subak-Kultur, wird deutlich, was für ein komplexes Geschehen einer gelungenen Selbstorganisation zugrunde liegt: Einbezogen ist ein ganzes Wertesystem, eine Kosmologie mit Festen, sozialer Begegnung und Kultur, alles in Verbundenheit in einem größeren Ganzen und gegenseitigem Vertrauen.
Letztlich organisiert alles Leben sich selbst: Nirgendwo steht ein schwitzender Baumeister daneben, wenn sich ein Lebewesen entfaltet oder größere Kooperationen beginnt. Was in einem einzigen Biotop, einer einzigen Zelle an Wechselwirkungen geschieht, ist mehr, als alle Supercomputer der Erde berechnen könnten. Der Begriff „von selbst“ beschreibt einen Vorgang, den wir noch überhaupt nicht verstehen, aber an dem wir teilhaben können.
Dieter Duhm schreibt: „Das Leben organisiert sich, wenn es frei und bewusst geworden ist, wenn es frei ans Licht treten und sich selbst erkennen kann, auf seine eigene Art. Mit Sicherheit haben wir für diese Selbstorganisation des Lebens bereits einige Kenntnisse, die wir anwenden können für die Befreiung des Menschen und der menschlichen Gemeinschaft. Wir haben ein Bewusstsein darüber, wie Leben und Liebe sich organisieren und regenerieren, wenn sie frei sind von gesellschaftlichen Zwängen.“

Diese Art von Selbstorganisation zu erfahren, die Bedingungen dafür zu erzeugen und an mir zu arbeiten, so dass ich mich nicht in den Weg stelle, sondern ein Teil des Ganzen bin – dafür lohnt sich jedes Studium und jede Selbstveränderung.

Der Studientext stammt aus dem Buch „Der Stoff, aus dem wir sind“ von Fabian Scheidler, das auf dem Pfingstsymposium vorgestellt wurde. Ich habe es noch nicht gelesen, aber die vorgestellten Passagen waren sehr inspirierend.

Eine gute Zeit beim Studium!

Christa

PS für Lesefaule: Hier kannst du Editorial und Studientext auch hören:

 

';