Terra Nova

Heilung der Liebe und Heilung des Wassers

von Sabine Lichtenfels

Ich habe mich in den vergangenen Jahren intensiv mit der ökologischen Frage auseinandergesetzt. Auf verschiedensten Treffen haben Visionäre wie Sepp Holzer oder auch Bernd Müller umfassende Antworten auf die ökologischen Zentralthemen gegeben.
Die frohe Botschaft lautet: Wasser, Energie und Nahrung stehen der ganzen Menschheit kostenlos zur Verfügung, wenn wir der Logik der Natur folgen und nicht mehr den Gesetzen des Kapitals.
Dem gegenüber steht die heutige Realität von Dürrekatastrophen und hungernden Kindern. Wir haben uns schon so sehr an die Bilder menschlichen Elends gewöhnt, dass eine Erde, auf der alle Menschen genügend Wasser, genügend Energie und Nahrung bekommen, wie eine unrealistische Utopie erscheint. Wenn wir aber sachkundig zu Ende denken, finden wir die Vision für eine lebendige Erde, auf der alle Wesen satt werden können. Sie lebt von dem Aufbau dezentraler, autonomer, mit der Natur kooperierender Systeme, die wir der Zentralisierung der großen Machtsysteme gegenüber stellen.

Wenn wir uns in aller Tiefe auf das Wesen des Wassers besinnen, kann es uns beispielhaft den Systemwechsel lehren, der auch für andere Bereiche des Lebens gilt. Das Wasser birgt alle Geheimnisse des Lebens in sich. Ist es nicht ein unendliches Wunder, dass jeder Organismus und auch der Erdorganismus zum größten Teil aus Wasser besteht? Pflanzen, Menschen und Tiere bestehen zu 50 – 80 % aus Wasser. Wasser bedeckt fast 71 % der Fläche der Erde.
Das große Wunder des „Ich Bin“ wirkt in seiner Komplexität auf vielen Ebenen durch uns hindurch. Der Leib der Erde und unser Leib sind viel mehr eins, als wir bewusst wahrnehmen. Das große Mysterium, das große Geheimnis wirkt in mir und in der Welt gleichermaßen. Mit Recht kann jedes Wesen auf der Erde sagen: „Ich bin Wasser“.

Wasser ist ein lebendiges Wesen, so wie ich ein lebendiges Wesen bin. Ob es sich zerstörerisch entfaltet oder als Leben spendende und erhaltende Quelle, entscheidet sich an der Frage, wie wie es wahrnehmen und wie wir mit ihm kooperieren.

Das zu verstehen, hat tiefgreifende Konsequenzen. In der neuen Wissenschaft werden wir vor jedem äußeren Eingriff das Gegenüber erst fragen: Was möchtest du von mir? So, wie wir nicht getrennt sind vom Ganzen, gibt es auch keine äußere, objektive leblose Materie, mit der wir ungefragt tun können, was wir wollen. Alles hat eine Eigenschwingung und ist mit allem verbunden.

So lautet eine Grundregel in der neuen Forschung: Wenn du Liebe erhalten möchtest, so schicke Liebe in all deinen Handlungen voraus.
Behandle alles, was dir begegnet so, wie du selbst behandelt werden möchtest. Denn in allem waltet das große „Ich bin“.
Alles basiert auf dem Prinzip der Resonanz, und alles, was du tust, hat eine Rückwirkung auf dich. Der Systemwechsel beginnt damit, dass wir das Wesen des Wassers kennenlernen möchten.

Was ich im Folgenden beschreibe, kann genauer nachgelesen werden in Bernd Walter Müllers Veröffentlichung: „Das Wassergeheimnis als Grundlage der neuen Erde, Heilung des Wasserkreislaufs durch den Aufbau von Retentionslandschaften“.
Ich möchte es an einem lokalen Beispiel aufzeigen. Doch dasselbe spielt sich in vielen Ländern so oder ähnlich ab. Unsere Landschaft Alentejo in Portugal gilt als Trockengebiet, eine Art Halbwüste. In den Wintermonaten fällt aber in der Regel heftiger Regen.
Bernd Müller: „Die Menge an Wasser, die in wenigen Tagen fällt, würde ausreichen, um die Bevölkerung des gesamten Gebietes für das ganze Jahr mit Trink- und Brauchwasser zu versorgen. Stattdessen aber fließt das Wasser ungenutzt ab und richtet zudem noch heftige Zerstörung an. Es reißt fruchtbare Erde mit sich, Fundamente von Brücken werden unterspült und zerstört, Straßen überschwemmt und gelegentlich ganze Städte und Dörfer überflutet.“ Er beschreibt dann den ursprünglich großen, heilen Wasserkreislauf, der aber heute gestört und unterbrochen ist. Wir erleben heute fast nur noch den kleinen Wasserkreislauf: „Wasser verdunstet, bildet Wolken, regnet ab. Der Regen trifft dann auf eine Erde, die das Wasser nicht mehr aufnehmen kann, denn die Wälder wurden abgeholzt, das kahle Land als Weiden übernutzt. Die Vegetation wurde durch Überweidung geschwächt, der Humus abgewaschen. Der nun ungeschützte Boden heizt sich auf. Wenn der Boden aber eine höhere Temperatur hat als das Regenwasser, kann er es nicht aufnehmen. Er verschließt sich, wird hart und das Wasser perlt ab. Es sammelt sich in großen Strömen, die schnell abfließen. Wo noch Humusschichten sind oder fruchtbare, lockere Erde ist, reißt es diese mit sich. So kommt es zum fatalen Problem der Erosion.“

Wie oft hören wir Nachrichten von Überschwemmungen, Waldbränden oder Dürrekatastrophen. Wir sind gewohnt, in solchen Fällen von Naturkatastrophen zu sprechen, in Wirklichkeit sind sie aber vom Menschen gemacht. Wir müssen anerkennen: Wir sind die Ursache der Zerstörung. Mögen wir auch die Ursache dafür werden, diese Krankheit zu heilen.

Ich sehe die weltweite Situation des Wassers als Spiegel, der uns zeigt, wie unsere seelische Situation ist. Statt sich auf die Kräfte der Natur zu verlassen, die das Wasser dorthin leiten, wo es gebraucht wird, staut der Mensch es, um es kontrollieren zu können und dann in zentrale Versorgungssysteme zu leiten. Das gilt für das Wasser wie für unsere Lebensenergien.
Das Wasser wie das Leben möchten sich ihrem Wesen gemäß bewegen können. Sie möchten nicht gestaut oder in enge Kanäle gezwängt werden. Sepp Holzer sagt: „Wenn ein Lebewesen sich nicht mehr bewegen kann, stirbt es. So geht es auch dem Wasser.“
Bernd Müller: „Wasser will sich einrollen, verwirbeln, schwingen, mäandern, dann bleibt es vital und frisch. Durch die Bewegung reinigt es sich von selbst.“

Wenn Wasser natürlich gelenkt und verantwortlich genutzt wird, verschenkt es sich überall hin. Doch weil wir Menschen denken, dass es zu wenig gibt, versuchen wir Wasser für uns zu horten und zu kontrollieren. Wir erkennen nicht, dass genügend Regen für alle Wesen fällt, wenn er von einem gesunden Erdkörper mit gesunder Vegetation empfangen werden kann.

Wer sich hineindenkt in das Geheimnis des Wassers, erkennt die Möglichkeit, Retentionslandschaften aufzubauen: Landschaften, in denen der Erdkörper und die Vegetation wieder in der Lage sind, das gesamte Regenwasser aufzunehmen, und in denen sich das Wasser naturgemäß und frei bewegen darf. Retentionslandschaften sind eine lokale Antwort für das globale Problem des Wassermangels – und damit für das Überleben der Menschheit und die Heilung der Erde. Eine Antwort, die für alle Regionen der Welt gilt.

Bei alldem dürfen wir uns darauf besinnen, dass wir nicht einfach mit der äußeren Erde arbeiten, sondern mit einem beseelten Wesen. Aus dem Kontakt zum Organismus Erde entstehen vollkommen neue Bilder einer Landschaft, die nicht nur ökologisch sinnvoll ist, sondern auch schön. Überall, wo Regen fällt, wird man kleine Seen und Terrassen, Wälder und Gärten anlegen. So lädt man das Wasser ein zu verweilen. Man gibt ihm Zeit, langsam in die Erde einzusinken, so dass der Erdkörper wieder satt werden kann. Pflanzen und wilde Tiere siedeln sich wieder an. Dieses Prinzip funktioniert ähnlich sogar in der Wüste.

Dort, wo Wasser richtig behandelt wird, hat es zugleich heilende Wirkung auf das Ganze: Wo genügend Wasser ist, wird genügend Nahrung wachsen. Natürlich wird hiermit auch ein neuer Weg aufgezeigt, auf den Welthunger eine Antwort geben zu können: durch dezentrale Substistenzwirtschaften, die in den Wasserretentionslandschaften entstehen. Jede Region in jedem Klima, so sagt Sepp Holzer, kann ihre Bewohner ernähren.

Die vorgeschlagene Lösung für das Wasser wird in ganzem Umfang nur dort funktionieren, wo wir uns auf gemeinschaftliche Lebensformen besinnen. Denn Wasser ist ein Element der Verbindung. Der wesensgerechte Umgang mit Wasser kann nicht in Systemen von Abgrenzung, Profit und Besitz funktionieren. Die Wasserretentionslandschaften, ihre Uferterrassen, essbaren Landschaften und Gärten wollen von den Menschen gemeinsam gepflegt und genutzt werden. So lehrt uns das Wasser selbst, als Gemeinschaften zusammenzukommen – als Menschen, die ein Leben in Kontakt mit den Vorgängen der Natur führen.

Anhand des ersten Modells in Tamera wollen wir aufzeigen, dass diese Methode tatsächlich funktioniert. Es ist gut zu wissen, dass wir mit dieser Arbeit nicht allein sind. Helferkräfte der Natur stehen zur Verfügung, denn das Ganze der Schöpfung ist auf Heilung ausgerichtet. Der Heilungsvorgang wird sich aber nur in einem Organismus vollziehen, der sich wieder öffnet für die gemeinschaftlich funktionierenden Vorgänge des Ganzen. Das führt uns zwingend zum nächsten Thema: der Liebe.

Das Liebesgeheimnis – Systemwechsel in der Liebe

Was ich für das Wasser geschrieben habe, gilt in verblüffend ähnlicher Weise auch für unseren Umgang mit Eros und Liebe. Die verschwiegene Lust führt Regie hinter den Kulissen unserer Kultur, über die man kaum öffentlich spricht. Die anonyme Anziehung der Geschlechter und die Sehnsucht nach Intimität bestimmen über Markt, Modeindustrie und Geldbeutel. Aber es gibt kein Gesellschaftssystem, wo diese beiden Grundtriebe – Sex und Liebe – versöhnt miteinander sind und befriedet werden können. Sie führen Krieg gegeneinander.

So werden Ehen geschlossen und geschieden. Millionen von Frauen und Männern betrügen heimlich ihre Partner, getrieben von etwas, das sie nicht wirklich benennen können.Es wird auf der Erde keinen Frieden geben, solange in der Liebe Krieg ist. Unsere Kultur hat Gesetze für die Liebe festgelegt, die unserer erotischen Natur widersprechen. Sie hat ein Liebesbild zur Gesundheit erklärt, was in sich krank ist.
„Wenn er fremd geht, bringe ich ihn um,“ rief Liz Taylor leidenschaftlich. Eine Haltung, die bei vielen zu Depression und Krankheit führte, bis zum Selbstmord.

Was wir der Erde angetan haben, haben wir auch uns selbst angetan! Was wir Liebe nennen, eigentlich eine Quelle des Lebens, ist heute Ursache für Krieg, Macht, Krankheit und unendlich viel Leid geworden. Die meisten Menschen haben keinen Zugang zu klarer Wahrheit und Rückkopplung im Bereich von Liebe und Sexualität. Weil unser Hunger nach Liebe nicht gestillt werden konnte, schufen wir lauter Ersatzbefriedigungen, die den Planeten ausbeuten.
Sowie die falschen ökologischen Formen im Umgang mit Wasser zur Verwüstung des Planeten führen, so führen die falschen sozialen Formen in der Liebe zur Verwüstung in den Beziehungen. In ihrer Summe ins Unendliche vervielfacht, sind dies die wahren Hintergründe von Hunger und Elend auf unserem Globus. Die Inweltkrise und die Umweltkrise sind die zwei Seiten desselben Kernproblems. Beidem liegt derselbe Denkfehler zu Grunde. Wir müssen uns dem Thema der Wahrheit in Liebe und Eros stellen, wenn wir die Heilung der Erde wollen.

Was ist zu tun im Bereich der zwischenmenschlichen Heilung? Gibt es neue soziale Strukturen, in denen dauerhafte Liebe und Treue eine Chance haben – und wir dem Starkstrom der Sexualität folgen dürfen?
Können wir, wie beim Wasser so auch in der Liebe den einfachen Schluss ziehen: Es ist genügend Liebe für alle da, wenn wir ihr Wesen verstehen und richtig behandeln?

Es scheint sich ein kosmischer Wandel der Menschheit anzubahnen; wir werden uns daran gewöhnen müssen, dass auch unsere privatesten Gefühle von universeller Natur sind.
Der Grundwandel, in dem wir uns alle befinden, ist der Wandel vom privaten ICH zum Welten-ICH. Ich bin immer auch die Welt. Das, was sich in meinen Liebesbeziehungen abspielt, spielt sich so oder so ähnlich in allen Liebesbeziehungen ab. Ob sie gelingen oder nicht, hängt nicht von der Schönheit oder Intelligenz meines Geliebten ab. Es hängt auch ab sondern von der Frage, wie unsere Liebe eingebettet werden kann in den Gesamtorganismus der Gemeinschaft und wie viel Welt ich hineinlassen kann.

Jede Person ist ein Spiegel der Welt. Das gilt auch in der Liebe, auch wenn sich unsere persönlichen Prozesse sehr intim anfühlen. Das, was sich in unseren privaten Liebesbeziehungen abspielt, ist ein Spiegel dessen, was sich auf der Weltenbühne zuträgt. Beziehungen und Konflikte zwischen Staaten haben eine ähnliche Dynamik wie die zwischen Mann und Frau. Hinter jedem Krieg steht eine verletzte Liebesgeschichte.
Unser persönlicher Schmerz in der Liebe kann dadurch Heilung finden, dass wir uns nicht mit unserer momentanen Rolle in diesem Geschehen identifizieren, sei es Opfer oder Täter, sondern mit dem Ganzen verbunden bleiben.

Welthunger ist kein Naturphänomen, sondern die Folge falscher ökologischer und politischer Orientierungen. Ebenso ist unstillbarer Hunger in der Liebe kein Naturphänomen, sondern die Folge falscher geistiger Orientierungen in der Liebe, auf persönlicher wie auch auf globaler Ebene. Hunger in der Liebe entsteht nicht, weil es zu wenig Liebe gibt, sondern weil der Mensch das Wesen der Liebe und die Quelle des Eros falsch behandelt hat.

Wir werden erkennen: Es war kein persönlicher Fehler, sondern ein grundlegend falsches System in der Liebe, das immer wieder zu den gleichen Schmerzen führte.
In der Ökologie haben wir gelernt: Verwüstete und verkarstete Landschaften lassen sich nicht durch Stauseen, Betonkanäle und Monokulturen heilen, sondern indem wir dem Regen wieder erlauben, in den Erdkörper einzusinken. So wird sich wieder natürlicher Humusboden bilden, und Biotope gedeihen in gesunder Vielfalt. Durch die Vielfalt erhalten die Systeme die erhoffte Stabilität. Der Mensch kann diesen Vorgang, den die Natur von selbst vollziehen würde, unterstützen und so beschleunigen.

Die Liebe funktioniert ähnlich. Sie braucht Gemeinschaften, die die Paare, Familien und Einzelpersonen einbetten und ihrerseits eingebettet sind in das größere gesellschaftliche System. Die den Eros bejahen und achten, statt unterdrücken. Und wenn wir still genug werden, können wir das Leben fühlen, das durch uns pulst und uns seine Antwort offenbaren möchte. Liebe hat ihre eigene Funktionslogik, die wir studieren können. Wie jedes Lebewesen wollen Liebe und Eros Freiheit, um sich ihrem Wesen gemäß bewegen zu dürfen.

Wenn wir das erkannt haben, werden wir konsequent nach Lebensformen suchen, in denen Wahrheit in der Liebe entstehen kann statt Krieg, in denen Vertrauen keimt statt Verlustangst. Ja, in denen sogar Freude blüht, wenn sich der Geliebte einer anderen zuwendet. Statt der Gewohnheit von Eifersucht und Liebesdrama zu folgen, können wir erkennen: Dauer und Stabilität entstehen durch Vielfalt und Freiheit, auch in der Liebe.

So wie die zerstörte Landschaft durch Retentionslandschaften geheilt wird, so kann der zerstörte Zustand in der Liebe zurück verwandelt werden in lebendige Liebe, die wieder von quellfrischen Liebesfreuden durchzogen wird.
Ebensowenig wie wir das Wasser in Folienbecken sperren und seinen Lauf in Kanälen begradigen, müssen wir unsere Liebesbeziehungen in den viel zu kleinen Käfig der Ehe sperren. Denn wir müssen keine Angst mehr haben, die Liebe wieder zu verlieren. Liebe möchte sich frei bewegen wie das Wasser. Sie möchte mäandrieren, sich bewegen, sie möchte aber auch in zuverlässigen Beziehungen tief gründen, so wie das Wasser tief in den Erdboden einsinken will.
Die Liebe braucht das Bett der Gemeinschaft, so wie das Wasser die natürlichen Retentionslandschaften wünscht. Für die Liebe wie für das Wasser gilt das gleiche Naturgesetz: Sie reinigt sich von selbst und bleibt immer frisch, wenn sie sich ihrem Wesen gemäß bewegen darf.

Wir werden feststellen: Unsere persönlichen Liebesbeziehungen werden dadurch reich, dass wir auch andere lieben dürfen. Sie werden dadurch verschönert, dass ich mein Glück mit anderen teilen darf. Die Liebe zwischen zwei Menschen wird nicht weniger dadurch, dass wir uns auch anderen zuwenden, sondern sie wird sich vermehren. Und unsere Freundschaften werden dadurch Dauer bekommen, dass wir Welt hineinlassen.

Nicht das Wasser an sich ist gewalttätig, sondern falsche ökologische Systeme führen zu verheerenden Zerstörungen. Ich möchte diesen Gedanken auf die Liebe übertragen. Stellen wir uns eine Frau vor, die seit Jahren nach Liebe und Eros hungert. Sie lebt in einer Ehe, wo das Wesen des Eros versiegt ist, weil er falsch behandelt wurde, und so findet sie schon lange nicht mehr den ersehnten Kontakt zu ihrem Mann. So wie die Pflanzen in der Wüste nach Wasser dürsten, sehnt sie sich nach erotischen Begegnungen. Sie hat schon fast keine Hoffnung mehr und sieht den Grund für ihr unerfülltes Verlangen nur bei persönlichen Mängeln. Wie vielen Millionen Frauen weltweit geht es so!

Plötzlich finden sie sich in einer Situation, wo sexhungrige Männer nach Eros verlangen. Etwas angetrunken vielleicht werden alle moralischen Verbote und Treueschwüre vergessen. Die Frau öffnet sich für den ersehnten starken Liebhaber, der sie sichtlich begehrt. Was jetzt geschieht, ist vergleichbar mit dem großen Regen, der in einem Trockengebiet fällt, in dem die Humusschicht zerstört wurde. Das große erotische Verlangen, dass in ihrem alten Leben nicht erfüllt werden konnte, durchbricht den Staudamm moralischer Treuevorstellungen. Die Vertrauensschicht – vergleichbar mit dem Humus – ist bereits verloren gegangen, das Fundament der Ehe zerstört, ursprüngliche Liebe wurde durch Misstrauen und Angst unterhöhlt.
Hier findet der Eros keinen Einbettung. So wie der heftige Regen nicht in den überhitzten und hart gewordenen Körper der Erde eindringen kann, hat das überstarke Verlangen des Mannes und seine kontaktlos gewordene Sexualität den Leib der Frau überschwemmt. Es lässt eine verletzte Frau zurück und reißt die letzten Reste von Vertrauen mit sich.

Soweit mein Versuch, die heilenden Gedanken zum Wasser auf den Eros zu übertragen. Wir wissen, was jetzt in diesem Moment in den Kneipen oder Krisengebieten dieser Erde geschieht. Wir wissen, wie Frauen misshandelt werden. Wir kennen die Orte, wo Menschen sich betrinken, um die inneren moralischen Verbote zu vergessen und den Staudamm wenigstens ein bisschen zu öffnen. Wir wissen, zu welcher Gewalt und Verletzung zwischen Männern und Frauen es kommt, sobald das System der Normalität ein bisschen durchbrochen wird.

Doch es hat wenig Sinn, die Schuld bei den bösen Männern zu suchen. Auch der Regen, der alles mit sich gerissen hat, ist nicht böse. Wir haben mit dem Eros dasselbe gemacht wie mit den Flüssen. Es ist ein falsches Gesamtsystem, das zur psychischen Verelendung und Vereinsamung geführt hat.

Wir können an uns selbst beobachten, wie das Herz sich verschließen will, wenn wir enttäuscht werden in der Liebe und wir einen Schuldigen suchen. Und wir alle können uns daran erinnern, wie eine junge Liebe daran zerbrochen ist, dass es keine sozialen Gefäße gab, in die wir diese Liebe voller Vertrauen hätten einbetten können.
Nur weil wir die gemeinschaftlichen Räume des Vertrauens in der Liebe nicht mehr kennen, bauen wir unsere Schutz- und Trutzburgen auf. Und wenn die Liebe darin vertrocknet und Seelenwüsten um uns herum entstehen, dann halten wir es für persönliches Versagen.

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