Terra Nova

Warum funktioniert Angst so „gut“?

Mitgeschriebene Gedanken aus einem Vortrag von Raymund Unger

Angst ist der Schlüssel zu Herrschaft. Denn Angst lähmt das logische Denken. Durch Angst kommt das Böse in die Welt.

Menschen, die Angst haben, tun böse Dinge. Diese Dinge machen anderen Menschen Angst, die dann auch böse Dinge tun. So wird der Mechanismus des Bösen angeworfen, fast wie ein Perpetuum Mobile, das schwer wieder anzuhalten ist.

 

Wem kann man Angst machen? Kindern.

Die ersten fünf Lebensjahre stabilisieren einen Menschen. Der Glanz in den Augen der Eltern bestimmt über sein Schicksal. Waren die Eltern in der Lage, uns die Liebe und die Zeit zu geben, die wir brauchten? Wenn nicht, reagiert das Kind mit Schuldgefühlen, Scham und letztlich einer Spaltung. Denn mit der tiefen Wertlosigkeit, der toxischen Beschämung, die es fühlt, mit dem Schuldgefühl, das es von den Eltern übernommen hat, kann es nicht leben. Es wird sie nach außen projizieren. So entsteht ein falsches Selbst. Es hasst und bekämpft die Scham, Selbstablehnung und Wertlosigkeit, die es im Inneren nicht fühlen kann, im Äußeren: im politischen Feind, Gegner, Andersgläubigen – im Anderen.

Es gibt christliche, jüdische und muslimische, rechte und linke Faschisten. Faschismus ist kein politisches Phänomen, sondern ein seelisches. Die Antwort auf Faschismus ist deshalb nicht in erster Linie politisch, sondern seelsorgerisch. Wahrer Antifaschismus führt über innere Reifungsprozesse.

Erwachsen sein heißt, sich gegen Angst wehren zu können. Wie können wir so erwachsen werden – oder nachreifen -, dass wir nicht mehr jedes Angst-Narrativ kaufen?

Durch innere Arbeit, Neubesinnung und einen kompletten Neuanfang. Ich nenne das Heldenreise. Um diese überhaupt zu beginnen, brauchen die meisten einen Zusammenbruch. Darin liegt der Sinn einer Krise. 

Stellen Sie sich vor, Sie haben ein Leben lang versucht, nach oben zu kommen, sie tun alles dafür, kämpfen, arbeiten – und sind schließlich ganz oben auf dem Hochhaus angekommen. Dort oben merken Sie: Es ist gar nicht Ihr Haus! Sie mussten oben ankommen, um das zu merken. Werden Sie sich jetzt entscheiden, noch einmal herunterzugehen und ihr eigenes Haus zu betreten?

Oder reicht es Ihnen? Bleiben Sie nach all der Arbeit oben im falschen Haus? Viele tun das, die meisten werden dort verbittert, viele legen sich eine Sucht zu.

Die westliche Gesellschaft hat in den letzten 200 Jahren infantile, entwurzelte, atomisierte Charaktere erzeugt. Wir können aber nachträglich reifen. Der Schlüssel zu sozialem Frieden ist die Entwicklung des echten Selbst durch den Prozess der Individuation. Ein Mensch, der es lernt, die Projektionen zurückzunehmen und die Verantwortung für sich zu übernehmen, wird – fast als Nebenprodukt – nicht mehr für Angstmacher anfällig sein.

Mehr zu seinen Bildern und Büchern: www.raymond-unger.de

 

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