Terra Nova

AM URQUELL

von Sabine Lichtenfels

Als Sabine Lichtenfels und die Pioniere der späteren Tamera-Gemeinschaft den Platz „Monte do Cerro“ im Süden Portugals entdeckten und erwarben, begann für sie eine ganz neue Geschichte. Sabine berichtet speziell aus ihren medialen Erfahrungen und „Wundern“. So kann es aussehen, wenn sich eine Gruppe im Einklang mit den spirituellen Kräften eines Ortes neu beheimatet.

Jetzt war eingetreten, wonach ich mich schon seit meiner Jugend gesehnt hatte: Wir hatten einen Platz gefunden, der groß genug war, um dort eine größere Lebensgemeinschaft aufzubauen und zu verwirklichen. Wir hatten in den letzten Jahren genügend Wissen angesammelt, um diesen Traum auch einigermaßen realistisch verwirklichen zu können.

Wir bezogen die ehemalige Bodega und entwarfen unsere Pläne. Täglich machten wir unsere Pilgertouren über das Gelände und entdeckten immer wieder neue Stellen, die uns begeisterten. Es entstand vor unserem visionären Auge sehr schnell ein Modell und Grundriss, wie wir uns die Verwirklichung in einigen Jahren vorstellten. Ein Reiterhof, ein Sanktuarium und Heilungsplatz, ein Gästehaus und Campingplatz, verschiedene Kraftplätze, das Zentrum des Ortes mit einem Sakralbau, der Orakelplatz verbunden mit einem Erospark, das Labor mit Technologiepark, das Jugendhotel, der Ort für die freie Schule, die internationale Begegnungsstätte, ein Empfangsgebäude mit einer Galerie und einem Kiosk, ein Restaurant und ein Laden, ein Badetreffpunkt, Gärten und Landschaftsparks, all das malten wir uns bereits in unserer Phantasie aus. Sprühenden Geistes entwarfen wir, was wie und wo entstehen würde. Am Campingtisch wurde es in die Pläne eingezeichnet. Erstaunlicherweise kamen wir zu ziemlich vielen gleichen Sichtweisen, obwohl wir diese vorher nicht abgesprochen hatten. Es war, als träume das Gelände einen Traum, den wir jetzt abrufen sollten. Mir war ziemlich schnell klar, dass wir diesen Ort Tamera nennen würden, ein Name, der uns schon auf unserem letzten Camp gekommen war. Er bedeutete Am Urquell.

(Foto: An der Orakelquelle von Tamera)

Erst viel später erfuhr ich, dass das frühe Ägypten ebenfalls Tamera genannt wurde. Dieser Name passte nicht nur wegen seiner Schönheit des Klanges, sondern auch die Bedeutung erschien uns sehr passend, weil wir ja durch die Quelle am Orakelplatz und die vielen Seen besonders reich mit Wasser gesegnet waren. Später sollte sich sogar herausstellen, dass wir sogar noch über eine zweite Quelle mit reichlich Wasser verfügten.

Die andere Sinnlinie, die ich mit dem Namen verband, führte mich zum Steinkreis, denn er war für mich längst geistig zu einem Urquell geworden, von dem ich viel lernen wollte und den ich mit Sicherheit oft befragen würde, um neue Informationen für den Aufbau des gemeinschaftlichen Lebens in Tamera zu bekommen. Schließlich standen wir vor der Aufgabe, einen gewaltfreien und zeitgemäßen „Stamm“ aufzubauen, bzw. eine Form der autarken Lebensgemeinschaft, die Modellcharakter für eine Zukunftsgesellschaft des wirklichen Friedens hatte. Wir hatten uns zwar auch in den letzten 20 Jahren, man kann fast sagen hauptberuflich mit den Fragen funktionierender Gemeinschaften beschäftigt, aber jetzt standen wir vor einer ganz neuen Stufe der Verwirklichung, und der Steinkreis eröffnete mir immer neue Sichtweisen und Perspektiven für dieses Thema. Wenn ich das Stammesleben, das mir dort nach und nach vorgestellt wurde, auch nicht kopieren wollte, so wurde es mir doch immer mehr ein Vorbild und war ein gewaltiger Denkanstoß für das, was wir verwirklichen wollten.

Täglich suchte ich die Quelle auf, den zukünftigen Orakelplatz, denn zu diesem Ort fühlte ich eine besondere Verbindung. Hier begann für mich eine ganz neue spirituelle Entwicklung, die natürlich in Verbindung mit meinen Erfahrungen stand, die ich im Steinkreis gemacht hatte. Ich möchte nur ein Beispiel nennen: Während ich mich an der Quelle in die Meditation versenkte, hatte ich oft den Eindruck, als kämen von den Vögeln, von der Palme oder auch unmittelbar von dem Feigenbaum Nachrichten zu mir. Immer stärker vertiefte sich der Eindruck, die gesamte Landschaft um mich herum sei beseelt und spräche ihre eigene Sprache, die auch vom Menschen zu entschlüsseln sei.

So kam es dazu, dass plötzlich, ich hatte die Augen geschlossen, die Palme besonders laut mit ihren Blättern raschelte. Natürlich dächte jede normale Person, dieses Rascheln käme vom Wind. In diesem meditativen Zustand empfand ich es aber als personalen Ausdruck der Palme und hörte gleichzeitig im Inneren: „Nimm alles, was dir hier begegnet als Zeichen und lerne es zu verstehen.“ „Hatte denn dieses Rascheln der Palme eine besondere Botschaft?“ fragte ich gespannt zurück. Wieder tauchte das laute Rascheln auf und ich konzentrierte mich verstärkt darauf. „Befreie mich von den Brombeeren“, nahm ich sehr nüchtern und auch deutlich die Botschaft wahr. Ich musste darüber lachen, zu welch elementaren, einfachen Arbeiten meine Kontaktversuche führten. In diesem Moment setzte sich eine Nachtigall oben in die Palme und begann zu trällern. Ich empfand auch sie sofort als Botin der Göttin, den Schutzgeist des Platzes repräsentierend.

„Ich begleite diesen Platz mit meinem schützenden Geist. Dieser Ort steht in unmittelbarer Beziehung zum Steinkreis. Es ist kein Zufall, dass hier eine Palme und ein Feigenbaum stehen. Beides sind uralte Symbole der Göttin.“

Während ich diese Eingebungen aufnahm, sah ich die Landschaft vor mir und sie erschien mir wie eine schlafende Frau, die dort wie hingegossen lag. Auch wenn mir der unmittelbare Kontakt auf diese Art neu war, so spürte ich doch seine innere Autorität. Ab jetzt begann ich täglich, Brombeeren von der Quelle zu entfernen und fühlte mich dabei wie in einem Märchen. Die Nachtigall kam regelmäßig, wenn ich ins Gebet ging. Nicht dass ich den Vogel selbst als die Göttin wahrnahm, es war vielmehr so, als würde sich die Göttinnenenergie all dieser Kräfte bedienen, um ihre Botschaften zu vermitteln und ihre umfassende Sprache zu sprechen, die in der Palme, in der Feige, in der Nachtigall, überall auf eigene Art zu hören war. War ich im normalen Zustand, dann war der Vogel ein Vogel. Ging ich ins innere Gebet, dann hörte ich durch den Vogel eine bestimmte Nachricht der Göttin heraus. Diese Sprache würden nur diejenigen erlernen und verstehen, die sich ganz mit ihren Sinnen verbanden. Ich selbst fühlte mich immer mehr als Botin der Göttin.

Tamera nahm uns in die Lehre. Ich nenne es die Lehre der Göttin, denn immer mehr hatte ich mir angewöhnt, mich mit dem Bild zu verbinden, das mir im Steinkreis durch das Leben der Urahnen so nahe gelegt wurde, und tatsächlich direkt mit der Göttin zu kommunizieren. Immer weniger blieb sie ein nur verstaubtes und altes Symbol für ferne Vergangenheiten. Unmittelbarer nahm ich den beseelten Teil der Schöpfung wahr, der durch die Erde, die Pflanzen und Tiere, durch die Elemente und synchrone Ereignisse mit dem Menschen kommunizieren wollte, sofern der Mensch bereit dazu war. Die Frösche, Schlangen, Gottesanbeterinnen, Skorpione und vieles mehr wurden für mich im Laufe der Zeit immer mehr zu Aspekten der Göttin. Die Erde selbst war die Göttin, dies lernte ich mit Hilfe des Steinkreises immer mehr zu sehen und zu verstehen. Hier, in Tamera, konnte man wirklich nur leben, wenn man bereit war, sich mit den Elementen auseinanderzusetzen. Auch brauchte man hier ein verändertes Zeitverständnis, um sich mit den Elementen und der Natur vertraut machen zu können.

Als ich mit der Gestaltung des Orakelplatzes beginnen wollte, ging ich mit meinem Malzeug ins Tal, und mir begegnete eine Schlange, die größer war als ich. Ich hatte bis dahin ziemliche Angst vor diesen Tieren. Jetzt aber beachtete ich sie mit großem Interesse. Ich nahm ihr Erscheinen unmittelbar als ein Zeichen auf. War sie nicht ein uraltes Symbol für Heilung und Sexualität? War sie nicht die intime Begleiterin der uralten Göttinnenfiguren?

Gemeinsam mit Pierre verbrachte ich einige Tage und Nächte am Orakelplatz und beschäftigte mich mit dem Thema der Göttin und der Schlange. Parallel arbeitete ich an einer Eingangstafel, auf die ich eine Göttinnenfigur mit einer Schlange als Begleiterin, einer Feige und einer Palme im Hintergrund malte. Im Orakelbecken begegnete uns eine weitere Schlange. Wir kamen durch unser Tun in einen eigenen Raum der medialen Wahrnehmung und feierten gemeinsam die Schöpfung und den Ort. So schnell konnte sich meine Schlangenphobie also verwandeln? Ich war erstaunt über die Wirkung, denn ich habe seither tatsächlich keine Angst mehr vor Schlangen.

An einem Sommerabend saß ich mit geschlossenen Augen auf der Terrasse der Bodega und lauschte den Grillen, den Fröschen und den Rufen von Käuzchen. Es schien, als würden sie gemeinsam eine bestimmte Schwingung und Frequenz herstellen, die in Resonanz stand zu einem größeren Energiegeschehen. Es war ein heißer Tag gewesen und ich war froh über die Abkühlung, die der Abend brachte. Ich dachte daran, wie schön es jetzt wäre, wenn etwas Regen der Natur und uns eine Erfrischung schenken würde. Ich hielt die Augen geschlossen und versuchte dem Resonanzgeschehen nachzufühlen. Immer wieder stieß ich selbst bestimmte Rufe aus. „Auf diese Weise haben früher die Hexen mit den Fröschen, Grillen und Vögeln kooperiert, um die Wettergeister herbeizulocken und Regen zu machen“, schoss es mir durch den Kopf.

Ich lauschte weiter auf das Geschehen, stieß meine Rufe aus und horchte darauf, ob die Tiere mir antworteten. Mir war, als würden wir gemeinsam ein großes Konzert veranstalten, zu Ehren der Göttin. Ich mag fast eine Stunde gedankenversunken so da gesessen sein. Als ich die Augen öffnete, stellte ich erstaunt fest, dass schwarze Gewitterwolken aufgezogen waren. Das war nicht gerade üblich zu dieser Jahreszeit. Nach etwa zehn Minuten blitzte und donnerte es und heftige Regenschauer fielen vom Himmel. Dieses Schauspiel flößte mir so großen Respekt ein, dass ich nicht so ohne weiteres das Rufspiel mit den Fröschen und Käuzchen wiederholen wollte, sondern nur dann, wenn ich einen klaren inneren Auftrag dazu bekäme.

Ich bemerkte, dass ich mich in einem Prozess der Schulung und Transformation befand. Mein spirituelles Leben davor war eher mit der geistigen Welt und der Welt des Lichtes verbunden gewesen, jetzt lernte ich immer mehr den geistigen Aspekt der Materie selbst kennen, und auch diejenigen Kräfte, die in unserer Kultur oft eher als dunkle Kräfte abgetan werden, so dass sich schnell eine unbewußte Angst oder Abwehr hineinmischt. Es fanden immer wieder Ereignisse statt, die viele Emotionen weckten und zu Streitigkeiten führten, die aus unbewußten Schichten stammten. Es kam darauf an, auch hier den nüchternen und präzisen Geist der Schöpfung zu entdecken und zu verstehen. „Wenn du nicht deinen Emotionen erliegst, hat das Leben immer eine helfende und heilende Antwort und eine wichtige Information für dich bereit. Die göttlichen Kräfte sind gewaltig, aber von sich aus nicht gewalttätig“, war einer der spirituellen Kernsätze, die ich immer tiefer zu ergründen hatte.

Interessant war, wie uns die Göttin immer wieder die richtigen Menschen schickte, die uns bei der Lösung von Problemen behilflich waren. In kürzester Zeit wurden die Hallen ausgebaut und winterfest gemacht. Die ersten Energieforscher kamen, und so war bald der erste Schafstall in ein Computer- und Empfangsbüro umgebaut worden, und das, obwohl unser Platz nicht an das regionale Stromnetz angeschlossen war. Wir hatten uns bewußt dagegen entschieden, denn wir wollten auch in der Energieversorgung autarke Modelle entwickeln. Es entstand sehr schnell eine interessante Verbindung von Hightech und einfachem Leben. Wir machten uns mit dem Platz vertraut, indem wir meistens draußen schliefen, Traum- oder Kunstkurse durchführten und mit Pierre das Gelände malend kennenlernten.

Wir erlebten die Trockenheit und die Dürre des Sommers und die portugiesische Hitze und später, im Winter, außergewöhnliche Regenfälle, die ein Jahr danach sogar so heftig wurden, dass sich im Orakelgarten ein gewaltiger Strom bildete, der unsere neu aufgebauten Kunstwerke und eine ganze Mauer aus Lehm mit sich nahm.

Der Regen fiel in solchen Massen vom Himmel, dass er in ganz Portugal zu schweren Überschwemmungen führte und im Nachbarort sogar einige Menschenleben forderte. Wir erlebten zwei größere Brände, so als wolle uns die Göttin mit allen ihren Elementen unmittelbar vertraut machen. Aber immer erlebten wir auch den unmittelbaren Schutz, so dass wir vor größerem Unglück verschont blieben. Der erste Brand wurde durch den Funken eines Baggers ausgelöst. Er war so heftig, dass ich schon ganz Tamera in Asche vor mir liegen sah. Das Feuer raste mit hoher Geschwindigkeit über den Campus. In meinem Schock sah ich schon meine Wohnhütte in Flammen stehen, die erst im vorangegangenen Herbst fertig gestellt worden war und die auf der anderen Seite des Campus stand. Wir hatten kein fließendes Wasser und waren darauf angewiesen, mit Eimern Wasser aus den Teichen zu holen oder die Flammen auszuschlagen.

Ich sah keine Lösungsmöglichkeit mehr, wie wir aus eigener Kraft das Feuer zum Stillstand hätten zwingen können, obwohl alle Anwesenden sofort in vollem Einsatz waren. In meiner Verzweiflung kam mir plötzlich sehr eindeutig der Befehl: „Geh in die Meditation!“

Ich setzte mich vor meine Hütte und ging ins innere Gebet. Wie ein Kind bat ich um Hilfe und sprach auch die Winde direkt an, mitzuhelfen, dass das Feuer gelöscht werden könne. Wie ein synchrones Ereignis verband sich das innere Erleben mit den äußeren Umständen. In mir setzte auf der Stelle eine große Ruhe ein. Das war damit verbunden, dass der Wind sich unmittelbar etwas legte und tatsächlich leicht drehte. Die Panik verschwand, und ich fühlte, dass alles gut gehen würde. Mir war , als stünden wir unter Schutz. Das Feuer kam tatsächlich nicht zu meiner Hütte, sondern zog jetzt den Hang hinunter. Optisch nahm es noch einmal gewaltig zu. Die Zistrosen loderten wie Zunder, und auch die größeren Bäume wurden erfaßt. Mit etwa 30 Leuten holten wir eimerweise Wasser aus den Teichen, bildeten Schlangen und taten, was wir konnten. Ich war jetzt ganz ruhig geworden. Es war beeindruckend, wie einfach wir uns in unserem Einsatz ergänzten und jeder ganz leicht herausfand, wo er benötigt wurde. Diese Aktion wurde für mich nachträglich zu einem Symbol für eine funktionierende Gemeinschaft, in der jeder seinen Platz ganz ausfüllt und in der Lage ist, ohne viel Worte den Kommunikationsfluss aufrecht zu erhalten.

Schließlich kam die Feuerwehr zu Hilfe und setzte vom Hubschrauber aus mit löschenden Aktionen ein. Nach etwa zwei Stunden war der Brand gelöscht. Nur einige Baumstämme kohlten vor sich hin und der schwarzverbrannte Campus erinnerte noch lange danach an das Geschehen. Mein Glaube an die göttliche Unterstützung, die sofort eintritt, wenn wir mit ihr in Resonanz treten, wuchs. Diese Resonanzgesetze zu verstehen, wurde immer mehr zur Lebensaufgabe.

Auch mit dem Geld erlebten wir unsere Wunder. Genau am Stichtag hatten wir das Geld zusammen, das wir für den Platzkauf brauchten. Darüber hinaus aber hatten wir so gut wie nichts. Wenn gar nichts mehr da war und man schon dazu neigte, sich ernsthafte Sorgen zu machen, dann griff immer irgendwie die Göttin ein, durch eine Durchsage, eine ungewöhnliche Eingebung, einen Traum oder einen zufällig auftauchenden Gast, der uns weiterhalf. Durch diese existentiellen Ereignisse, aber auch durch unscheinbarere Vorkommen wandelten auch wir selbst uns unmerklich.

Wir begannen, gesünder zu leben, der Kontakt zur Natur wurde intimer und in uns wuchs nach und nach so etwas wie eine Naherwartung, die uns immer mehr Kraft und Mut gab, den Traum von Tamera in vollem Umfang anzugehen. Der Steinkreis und sein Vorbild hatte mir Mut gemacht, auch im Bereich der Heilung zu forschen und diejenigen Lebensbereiche anzugehen, wo bereits eine mehr oder weniger bewußte Resignation eingesetzt hatte. Jeder von uns versuchte immer mehr, seine eigene Funktion im Ganzen zu erkennen und auszufüllen. Wenn es nicht von selbst geschah, dann wurden wir durch äußere Ereignisse, kleinere Unfälle oder Glücksmomente, darauf gestoßen.

Besonders Pierre setzte sich immer wieder dafür ein, dass die geistigen Ziele von Tamera, auch die der Heilung und Selbstheilung, bei all den Aufbauarbeiten für alle präsent blieben. Die Neigung des Menschen, in der Arbeit zu versinken und darüber seinen eigentlichen Sinn zu vergessen, war immer wieder ein Hindernis, mit dem wir alle zu kämpfen hatten. Wir hatten ja nicht nur materielle Themen zu lösen, sondern vor allem auch geistige. Wie oft glaubt man aus Gewohnheit viel lieber an ein Problem und seine Unlösbarkeit als an seine mögliche Lösung!

An der Lösung zu arbeiten, verlangt die dauernde Bereitschaft zu einer veränderten Lebenshaltung in allen Details. Wir erhielten klare Hinweise, die Sache langsam und gründlich genug anzugehen. Wir wollten, dass das ungelöste Erosthema unserer Zeit in Tamera eine Chance bekommen sollte. Dazu musste es noch umfassender angegangen und gelöst werden, als es uns bis dahin möglich war. Der Steinkreis hatte mir den Blick auf die geschichtliche Verletzung im Bereich des Eros und auf die Notwendigkeit der sexuellen Heilung noch wesentlich vertieft. Immer wieder konnten wir beobachten, wieviele Menschen an den ungelösten sexuellen Themen scheiterten. Man konnte sehen, dass sie die Sehnsucht nach einer intimen sexuellen und dauerhaften Freundschaft mit einer Person einfach nicht mit der Sehnsucht nach einem freien erotischen Leben und nach einer größeren Gemeinschaft zusammenbekamen. Für die meisten Menschen sah es wie ein kategorisches Entweder-Oder aus. Beziehung ohne Eros oder Eros ohne feste Freundschaft.

In der Steinkreismythologie hatte ich in das urgeschichtliche Drama dieses ungelösten Themas Einsicht bekommen. Schien es doch so, dass hier die geschichtliche Wurzel für das Entstehen des Patriarchats mit seinen Strukturen von Gewalt und Unterdrückung zu suchen waren. Sowohl für junge Menschen, als auch für diejenigen, die älter waren und für sich selbst keine großen Chancen mehr ausrechneten, bedurfte es neuer Lösungsansätze, wenn man eine gewalt- und angstfreie Lebensperspektive aufbauen wollte. Das aber war nur möglich, wenn jedes Glied der Gemeinschaft einen umfassenderen Sinn und eine übergeordnete Perspektive für sich kannte, die über die Frage der jeweiligen Kontakte weit hinausging.

Nur wenn wir überhaupt ein Verhältnis zum Leben aufbauen würden, das hinausführen konnte aus dem Vergleich mit anderen, aus Konkurrenz und Machtspiel, und das uns stattdessen mit einem Bild von uns selbst wiederverbinden würde, so wie wir kosmisch gemeint waren, würden wir dieses schwierige Thema lösen können.

Der Steinkreis war für mich zu einem Modellfall geworden, an dem demonstriert wurde, wie eine Gemeinschaft davon lebte, dass jeder einzelne seine ganz spezielle Funktion und Aufgabe im Universum wiedererkannte und annahm. Eine gesunde und funktionierende Gemeinschaft war ein Biotop der Ergänzung, nicht der Hierarchie. Im Steinkreis fand ich Antworten für Krankheit, Tod und Sterben, genauso wie für Jugend, Liebe und Gemeinschaft, die für das Konzept von Tamera von Bedeutung waren. Hier gab es Lebensperspektiven für die Jugend und für das hohe Alter. Wenn wir den Schlüssel finden würden, der uns helfen könnte, die latente Grundangst zu überwinden, von der jeder Mensch unserer Gesellschaft befallen war, um stattdessen das Urvertrauen in die Kräfte und Rhythmen des Lebens selbst wieder aufzubauen, dann würden wir in Tamera ein Modell aufbauen können, das auch für Generationen nach uns noch Bedeutung haben würde. Dann könnte es ein Beitrag zur Heilung von Mensch und Erde sein.

Mit dieser Sicht lebten und arbeiteten wir in Tamera. Das gab uns die Kraft in schwierigeren Situationen und lenkte auch von einer zu persönlichen und damit leicht betroffenen Haltung dem Leben gegenüber weg. Ich begann immer gezielter mit der Traumforschung und der Arbeit an der Visionsbildung. Die feste Wiederverbindung mit der eigenen Zielgestalt jedes einzelnen war für mich zu einer wichtigen Voraussetzung für das Funktionieren des Ganzen geworden. Und ebenso die feste Wiederverbindung mit einem gemeinsamen kollektiven Traum des Menschen und seiner Heilung, einem Traum vom paradiesischen und tatsächlich humanen Leben, das diesen Namen auch verdiente.

Wir würden viel Geist, Zeit und Energie aufbringen, um das richtige Sehen zu erlernen. Es war für mich selbstverständlich geworden, dass es nur ein Sein gab und dass wir die Aufgabe hatten, den ursprünglichen Paradiesestraum, den die Erde und wir mit ihr träumten, wiederzufinden und sinnvoll weiterzuführen.

Tamera sollte und soll in diesem Sinn ein wirkliches Heilungsbiotop werden. So wächst die Gemeinschaft langsam und beständig. In den nächsten Jahren werden wir mit dem Aufbau einer Schule beginnen können, einer Schule der Schöpfung, einer Weiterführung der urgeschichtlichen Utopie für alle Fragen des Überlebens, der Heilung, der Liebe, der Kunst, der Religion und der Gemeinschaft.

Aus dem Buch: Traumsteine – Reise in das Zeitalter der sinnlichen Erfüllung

 

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