Liebes Terra Nova Netzwerk,
Ich hoffe, ihr habt den Sommer genossen – oder seid noch dabei. Wir im Terra Nova Begegnungsraum haben viele schöne, teilweise sehr berührende Erfahrungen als Gastgeber unseres Biohotels an der Ostsee gesammelt – einschließlich sehr viel intensiver Arbeit. Aber vor allem bin ich dankbar, dass wir einen Raum zur Verfügung stellen können, der so gerne von Menschen genutzt wird, um zur Ruhe zu kommen, zu genießen, sich sammeln und begegnen zu können.
Bevor ich euch – weiter unten – zu zwei Seminaren und einem Online-Kongress einlade, möchte ich mein Erlebnis dieser Woche mit euch teilen:
Ich folgte der Einladung meiner langjährigen Tamera-Freundinnen A´ida Shibli und Sabine Lichtenfels nach Berlin zu einer Friedensaktion der Frauen in Weiß für Gaza. Mit rund 60 Frauen und einigen Männern gingen wir – alle in weiß gekleidet – schweigend in das Holocaust-Memorial, um in Stille für Frieden und Waffenstillstand zu beten. Damit folgen wir einem Traum, den A´ida seit Anfang des Krieges hat: Dass 100.000 Frauen in Weiß in ein Kriegsgebiet gehen und mit ihrer Autorität das Morden beenden.
Diese Gedanken haben uns begleitet:
Unser Gebet heisst „Krieg beenden – Frieden leben.“
Wir versuchen das Bild in uns und anderen zu stärken, dass sofortige Waffenruhe möglich ist.
Wir wechseln die Ordnungsebene und konzentrieren uns aus die Lösung.
Befreiung beider Seiten. Das kollektive Trauma transformieren.
Wir stehen für absolute Gewaltfreiheit und begehen die Meditation in Stille.
Keine Toleranz gegenüber jeder Form von Gewalt.
Wie immer vor solchen Aktionen in der Öffentlichkeit kamen bei den Teilnehmerinnen auch innere Zweifel- und Angstpunkte ans Licht: Wie werden die Menschen reagieren? Werden wir missverstanden? Was soll so eine Aktion schon bewirken? Warum treten wir ausgerechnet am Holocaust-Memorial für Waffenstillstand in Gaza ein?
Eine Frau sagte: Es gibt mir Kraft, wenn ich das Gefühl habe, nichts tun zu können, trotzdem ETWAS zu tun. Ich selbst fand es sehr spannend, dass bei mir als innere Schwelle vor allem Hoffnungslosigkeit auftauchte: Bei diesem Ausmaß der Gewalt kann ich nicht an irgendeine Vernunft oder Einsicht glauben, an die wir appellieren könnten.
Durch die Gespräche bei der Vorbereitung, durch die intensiven und leidenschaftlichen Reden von Aida, Sabine und anderen kam mir auf einmal der Gedanke: Vielleicht ist meine Mutlosigkeit ja auch bereits Ergebnis der Massenmanipulation. Ich lese und schaue so viele Nachrichten, und immer ist das Ergebnis: Alles wird immer schlimmer. Frieden hat keine Chance. Ich nahm mir vor, die Meditation dafür zu nutzen, diese zynische Stelle in mir selbst zu berühren und aufzuweichen.
Und dann kam alles anders. Wir gingen in einer langen Kette schweigend und sehr friedlich in das Memorial hinein. Viele neugierige Blicke folgten uns, manche spöttisch, die meisten freundlich, und einige Menschen schlossen sich uns spontan an. Das trat aber alles hinter dem großen Empfinden zurück. Je tiefer wir die Gedenkstätte betraten, desto präsenter wurde in mir und – wie ich später erfuhr – auch den anderen der Terror und Massenmord an den Juden in Europa und speziell in Deutschland. Ich hatte das Gefühl, ich habe gerade keine andere Aufgabe, als diesen Schmerz und Schrecken einmal ganz an mich heranzulssen. Als Nachfahrin der Täter einmal mit voller Aufmerksamkeit da zu sein für all die aus dem Leben gerissenen Seelen. Wie muss das gewesen sein, so verfolgt zu werden – und niemand kommt einem zu Hilfe! So ist es heute für die Menschen in Gaza – so ein Leid, und niemand kommt zu Hilfe.
Ungeheilt, unbeweint, ungeteilt führt dieser immense Schmerz meistens zu einem: Zum verschlossenen Herzen, das nur noch eins will: Solchen Schmerz und solche Hilflosigkeit nie mehr zu fühlen. Ein verschlossenes Herz hat keine Orientierung, es fühlt nicht und weiß deshalb nicht, was richtig und falsch ist. Es entscheidet sich für Härte, Anpassung an scheinbar machtvolle Strukturen – und für Gewalt. Ein ewiger Kreislauf. Können wir ihn durchbrechen?
Mitgefühl ist eine Antwort – wenn auch nicht die einzige. Das kollektive Trauma hat zu mächtigen Strukturen geführt, – z.B. in der israelischen Regierung – die wir kaum noch erreichen können. Doch nicht nachlassendes Mitgefühl auch für die Täter bahnt – zusammen mit einem äußeren klaren Stopp, „keine Toleranz für Gewalt!“ – die Möglichkeit zur Umkehr, zur Neuorientierung.
Soweit mein Erleben. Ich bin froh, dass ich dabei war – und möchte euch das Gedicht mitgeben, das eine der Initiatorinnen der Berliner Aktion, Judith Hafner, schrieb:
100.000 Frauen in Weiß
100.000 Frauen,
und in Wahrheit sind es mehr,
ringen lodernd um Vertrauen
vor dem Töten, vor dem Grauen,
vor der Kriege Tränenmeer.
Jede dieser Frauen weiß:
Viel zu hoch ist dieser Preis!
Sie bezeugen es entschieden:
Nie führt Krieg zu Frieden.
Und weil sie das Leben lieben,
kleiden sie sich stumm in Weiß.
Dieser stille Mut hat Kraft.
Reiche ihm die Hand.
Eine große Schwesternschaft
spannt sich jetzt von Land zu Land.
Und diesen Text von A´ida:
Imagine 100,000 women dressed in white
coming to a war zone.
Imaginew them forming a nonviolent human shield.
They are coming from all over the world, including regions party to the war whenever movement is possible.
They are spanning all nationalities, all religions, all shades of skin, hair, and eye color, and all ages. Imagine them standing together to protect everyone, regardless of „side“, political affiliation, or national identity.
They are committed and deeply trained, and they are determined to use the power of nonviolence to call everyone back to their humanity.
They have trust in their capacity to stop the war and create a foundation for a peaceful approach to addressing the conflict that led to war.
They act as one body, rooted in nonviolence, loving life, vital, and full of faith.
Und jetzt zwei Seminar-Einladungen für den Herbst und eine Einladung zu einem Online-Summit:
20.-27. Oktober: Terra Nova Woche
Eine Woche Gemeinschaft auf Zeit, Studium und Reflektionsraum zum Thema: Welche Verantwortung haben wir – welche Antwort können wir geben auf die Situation unserer Zeit? Was brauchen wir, um uns füreinander zu öffnen? Was braucht die Welt von uns?
Mit geistigem Input, Forum, Studium, Kreativität und Gemeinschaftsarbeit, Natur-Erleben am Ostsee-Bodden und Integration. Es ist auch eine sehr gute Gelegenheit, unsere kleine Gemeinschaft und unseren Ort kennenzulernen.
5. bis 10. November, „Die Zukunft verkörpern“
Ein Seminar mit Benjamin von Mendelssohn und Ramona Kufert (aus Tamera)
Angstfreie Liebe ist eine Idee, die nach mindestens 5000 Jahren Kriegsgeschichte kollidiert mit der angesammelten Angst in unserem Körper. Angstfreie Liebe ist aber auch eine Realität unserer gesunden Zellen, von der wir durch ebendiese Kriegsgeschichte getrennt sind. Heutzutage eine angstfreie Kultur aufzubauen, bedeutet die Wiederöffnung in die gesunde Realität unserer Zellen. Gibt es eine Möglichkeit der “leiblichen Inspiration und Vision”, die uns Hoffnung schenkt und uns öffnet für die Liebe und für das Empfangen höherer Aufträge, die einem Kulturwandel dienen? Die uns stark genug macht, um den politischen und seelischen Turbulenzen unserer Zeit sinnvoll zu begegnen und unseren Platz im Aufbau einer Alternative einzunehmen?
Ramona und Benjamin sind stark inspiriert durch die Friedensvision Tamera’s. In diesem Seminar wollen sie einen geistigen und somatischen Einstieg in diese Visions- und Heilungsräume anbieten. Wir laden Menschen ein, die existentiell bewegt sind von der Zeit, in der wir leben und ihren Beitrag für diesen Kulturwandel suchen.
Werte und Gedankengänge, die wir in dieser Zeit somatisch erforschen wollen:
- eine Kultur der Liebe wird aus einem geöffneten Herz geboren
- Möglichkeiten, angstfrei zu lieben jenseits der Konventionen
- Mitgefühl für alles Leben
- eine Friedenskultur ist eine Körperkultur – der Unterschied zwischen moralischer und biologischer Wahrheit
- der Raum der Einheit – ich bin Teil des Ganzen – Gemeinschaft erleben
- von wem oder was werde ich gesteuert? System der Angst – System der Liebe, Bewusstseinstraining und Transformartionsarbeit im Leib
In diesem Video geben Benjamin und Ramona eine kurze Einführung in das Thema des Seminars.
Anmeldung und Informationen per Mail: , Telefon: 038323 251 0
Online-Kongress: Reise ins neue Bewusstsein vom 11.-15. September
Das ist ein Onlinekongress zum Thema: Wie können wir Beziehungen liebevoller gestalten? Ich fand die beiden Initiatoren erfrischend unerfahren, wenig abgebrüht, sondern offen, neugierig und herzlich. Sie haben es geschafft, inspirierende Sprecher wie Gerald Hüther, Robin Kaiser, Sabine Lichtenfels und einige andere zu gewinnen. Auch mich selbst, ich spreche zum Thema Gemeinschaft – mein Interview wird am 11.09. ab 8 Uhr freigeschaltet. In den fünf Tagen sind alle Interviews kostenfrei anzuhören.
So. Das war mein erster Rundbrief nach der Sommerpause – lasst euch, wie ich selbst, überraschen, wie es weitergeht!
Mit herzlichem Gruß aus dem Norden!
Christa